Tatsächlich gab es bis 1957 einen Unteren Scheunenweg. So hiess nämlich bis zur Umbenennung gemäss Stadtratsbeschluss vom 3. Januar 1957 die Hintere Kirchgasse. Die Bezeichnung Unterer und Oberer Scheunenweg ist durchaus logisch und weist auf die ehemalige Struktur der Altstadt von Lenzburg hin.
Lenzburg wurde um 1230 von den Grafen von Kyburg als Marktsiedlung gegründet. Nach ihrem Aussterben 1264 gelangte die Herrschaft an die Habsburger. Herzog Friedrich von Österreich verlieh Lenzburg am 20. August 1306 das Stadtrecht. Die Bewohner des Städtchens waren nicht nur als Gewerbetreibende tätig, sondern bewirtschafteten zugleich als Bauern das die Stadtsiedlung umgebende Land. Dies können wir an der historischen Stadtstruktur ablesen, wie sie in der Zeichnung von Joseph Plepp von 1624 festgehalten ist.
Schon im 19. Jahrhundert begann der Abbau der Wehranlagen, da sie überflüssig geworden waren. Die angebauten Scheunen wurden abgerissen und nach und nach durch Wohnbauten ersetzt. Das Obere Tor wurde 1822/23, das Untere Tor 1841 abgebrochen. Neben dem Unteren Tor standen an Stelle der Mauer schon längst Wohngebäude (Walti-Haus und Spittel). 1870 löste an der nördlichen Stadtmauer das Gebäude mit dem heutigen Mc Arthur’s-Pub die dortigen Scheunen ab. An der südlichen Stadtmauer ersetzten zwischen 1874 und 1880 in der unteren Hälfte des Oberen Scheunenweges mehrere Wohnbauten die Scheunen. 1879 wurde an der nördlichen Stadtmauer die Pfrundscheune neben der Stadtkirche abgerissen und 1880 durch den Häuserblock ersetzt, welcher heute die Sternapotheke und die Radiologiepraxis beherbergt. Die letzte Scheune am ehemaligen Unteren Scheunenweg, die Scheune des Fuhrhalters Jakob Häfeli, wurde 1909 durch das vom Jugendstil geprägte Gebäude ersetzt, an dessen Westfront zur Poststrasse der fahnentragende Eidgenosse von Werner Büchli prangt. Da hier schon seit Jahrzehnten keine Scheunen mehr vorhanden waren, wurde der Weg 1957 in Hintere Kirchgasse umbenannt.
Am Oberen Scheunenweg blieben die alten Strukturen mit Stadtmauer und angebauten Scheunen bis 1938 bestehen.
Bis 1938 sah man vom Grabenweg aus noch ein ansehnliches Stück der Stadtmauer.
Nach einer heftig geführten Kontroverse um die Erhaltung dieses letzten grossen Stücks Stadtmauer fiel dieser historische Zeuge der Stadt Lenzburg 1938 der Spitzhacke zum Opfer. An seiner Stelle wurde das von Architekt Richard Hächler entworfene Bezirksgebäude errichtet. Wer sich näher für die Geschichte der Stadtmauer und den Kampf für ihre Erhaltung interessiert, findet in den Lenzburger Neujahrsblättern (LNB) zwei ausführliche Artikel: Nold Halder, Die Ringmauern von Lenzburg, LNB 1938, S. 62 ff.; Heiner Halder, Das grosse Ringen um die Ringmauern, LNB 2013, S. 13 ff.
Trotz aller Veränderungen ist am Oberen Scheunenweg bis heute noch ein Stück Stadtmauer mit zwei Scheunen erhalten geblieben: Nämlich die an die Stadtbibliothek anschliessende Stadtmauerpartie mit zwei als Lager- und Einstellräume genutzten Scheunen. Sie lassen erahnen, wie das Städtchen noch vor 250 Jahren entlang der Stadtmauern ausgesehen hat.
Und deshalb ist es auch richtig, dass der Obere Scheunenweg im Zuge der Neubenennung von Strassen 1995 entgegen der ursprünglichen Absicht nicht in Spittelgasse umbenannt wurde (in Anlehnung an den ehemaligen Spittel, das Gebäude der heutigen Stadtbibliothek).
Die ursprüngliche Stadtstruktur mit Scheunen entlang der Stadtmauern
Lenzburg wurde um 1230 von den Grafen von Kyburg als Marktsiedlung gegründet. Nach ihrem Aussterben 1264 gelangte die Herrschaft an die Habsburger. Herzog Friedrich von Österreich verlieh Lenzburg am 20. August 1306 das Stadtrecht. Die Bewohner des Städtchens waren nicht nur als Gewerbetreibende tätig, sondern bewirtschafteten zugleich als Bauern das die Stadtsiedlung umgebende Land. Dies können wir an der historischen Stadtstruktur ablesen, wie sie in der Zeichnung von Joseph Plepp von 1624 festgehalten ist.

Seit ihrer Gründung um 1230 bis auf die heutigen Tage hat die Kernsiedlung Lenzburgs ihre Hufeisenform bewahrt. In der Mitte erkennen wir die von den Bürgerhäusern gesäumte Rathausgasse, quer dazu rechts die Kirchgasse; der Nord-, der Süd- und der Westseite entlang verlaufen die Eisengasse, der Obere Scheunenweg und die Hintere Kirchgasse mit den an die Stadtmauer angebauten Scheunen. Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 2013, S. 14
Die Stadtmauern verlieren ihre Schutzfunktion und werden durch andere Bauten ersetzt
Schon im 19. Jahrhundert begann der Abbau der Wehranlagen, da sie überflüssig geworden waren. Die angebauten Scheunen wurden abgerissen und nach und nach durch Wohnbauten ersetzt. Das Obere Tor wurde 1822/23, das Untere Tor 1841 abgebrochen. Neben dem Unteren Tor standen an Stelle der Mauer schon längst Wohngebäude (Walti-Haus und Spittel). 1870 löste an der nördlichen Stadtmauer das Gebäude mit dem heutigen Mc Arthur’s-Pub die dortigen Scheunen ab. An der südlichen Stadtmauer ersetzten zwischen 1874 und 1880 in der unteren Hälfte des Oberen Scheunenweges mehrere Wohnbauten die Scheunen. 1879 wurde an der nördlichen Stadtmauer die Pfrundscheune neben der Stadtkirche abgerissen und 1880 durch den Häuserblock ersetzt, welcher heute die Sternapotheke und die Radiologiepraxis beherbergt. Die letzte Scheune am ehemaligen Unteren Scheunenweg, die Scheune des Fuhrhalters Jakob Häfeli, wurde 1909 durch das vom Jugendstil geprägte Gebäude ersetzt, an dessen Westfront zur Poststrasse der fahnentragende Eidgenosse von Werner Büchli prangt. Da hier schon seit Jahrzehnten keine Scheunen mehr vorhanden waren, wurde der Weg 1957 in Hintere Kirchgasse umbenannt.
Die letzte der Scheunen am ehemaligen Unteren Scheunenweg, die Häfeli-Scheune, abgebrochen nach der Erstellung des Durchbruchs; Quelle: Fotoband Liebes altes Lenzburg, S. 121
Der Obere Scheunenweg bis 1938
Am Oberen Scheunenweg blieben die alten Strukturen mit Stadtmauer und angebauten Scheunen bis 1938 bestehen.

Partie mit alten Scheunen am Oberen Scheunenweg, in der Bildmitte der Atelier-Einbau von Bildhauer Arnold Hünerwadel; Quelle: Liebes altes Lenzburg, S. 152
Das letzte grössere zusammenhängende Stück Stadtmauer fällt
Bis 1938 sah man vom Grabenweg aus noch ein ansehnliches Stück der Stadtmauer.
Stadtmauerteilstück am Graben; Quelle: Liebes altes Lenzburg, S. 151
Nach einer heftig geführten Kontroverse um die Erhaltung dieses letzten grossen Stücks Stadtmauer fiel dieser historische Zeuge der Stadt Lenzburg 1938 der Spitzhacke zum Opfer. An seiner Stelle wurde das von Architekt Richard Hächler entworfene Bezirksgebäude errichtet. Wer sich näher für die Geschichte der Stadtmauer und den Kampf für ihre Erhaltung interessiert, findet in den Lenzburger Neujahrsblättern (LNB) zwei ausführliche Artikel: Nold Halder, Die Ringmauern von Lenzburg, LNB 1938, S. 62 ff.; Heiner Halder, Das grosse Ringen um die Ringmauern, LNB 2013, S. 13 ff.
Der Obere Scheunenweg hat seinen Namen zu Recht behalten
Trotz aller Veränderungen ist am Oberen Scheunenweg bis heute noch ein Stück Stadtmauer mit zwei Scheunen erhalten geblieben: Nämlich die an die Stadtbibliothek anschliessende Stadtmauerpartie mit zwei als Lager- und Einstellräume genutzten Scheunen. Sie lassen erahnen, wie das Städtchen noch vor 250 Jahren entlang der Stadtmauern ausgesehen hat.
Und deshalb ist es auch richtig, dass der Obere Scheunenweg im Zuge der Neubenennung von Strassen 1995 entgegen der ursprünglichen Absicht nicht in Spittelgasse umbenannt wurde (in Anlehnung an den ehemaligen Spittel, das Gebäude der heutigen Stadtbibliothek).
Titelbild: Die Stadtmauer am Graben wird abgebrochen, September 1938; Quelle: Fotoalbum Karl Urech, Museum Burghalde, Lenzburg
Über
We Love Lenzburg macht jeden Monat eine Reise ins vergangene Lenzburg.
Christoph Moser, 73, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.