Kuriositätenkabinett

Lenzburg Seifenkisten-Derby

Mit Schwung und Wagemut den Schlossberg hinunter! Ende August wird einer beinahe vergessen gegangenen Tradition neues Leben eingehaucht. Von der Faszination «Seifenkiste».

Von Irène Fiechter

 

«Achtung, Achtung, Start in wenige Minute. Achtung, Achtung, Start in wenige Minute.» Tönt es scheppernd durch die Luft. Die Seifenkistenpiloten machen sich bereit, die jungen Mechaniker liegen noch unter den Kisten und machen die letzten Check-ups.



So beginnt das filmische Seifenkistenabenteuer «Boliden» der Pfadi Lenzburg von Walter Feistle aus dem Jahr 1991. Verschiedene selbstgebaute Rennwagen sind im Einsatz. Besonders der umgebaute WISA-GLORIA Kinderwagen sticht heraus – nicht zuletzt, weil es ihn über die Rennstrecke hinauskatapultiert, um querfeldein den schnelleren Weg einzuschlagen.



Das halsbrecherische Rennen den Schlossberg hinunter war aber keinesfalls das erste Unterfangen dieser Art. Schon Anfang der 1920er rasten Kinder in selbstgebauten Seifenkisten vom Schloss Lenzburg den (damals noch) holprigen Kiesweg hinunter.

Die Seifenkiste als Gefährt hat eine lange Tradition. Das erste Mal ist ein «Kinderautomobilrennen» offiziell 1904 im deutschen Oberursel dokumentiert. Inspiriert vom «Gordon-Bennet-Cup», der von 1900 bis 1905 ausgetragen wurde, fanden dort Rennen für vorwiegend Jungen und ihre Väter statt. Die fahrenden Kästen wurden aber noch nicht «Seifenkisten» genannt. Dieser Begriff stammt aus den USA, wo sich unabhängig von Oberursel die Tradition der «Soap Box Derby» (zu Deutsch eben «Seifenkistenrennen») entwickelte.
Während der grossen Depression im Jahr 1933 auf der Suche nach Sujets, beobachtete der Fotograf Myron Scott in Dayton Ohio drei Jungen, die in umgebauten Holzkisten mit Kinderwagenrädern die Strassen runter holperten. Scott war so beeindruckt, dass er die Jungen einlud, eine Woche später mit mehr Freunden ein Rennen zu fahren. 19 Kinder und ein beachtliches Publikum fanden sich zum Spektakel ein. Schon ein Jahr später traten 35 Gewinner aus der Region in Dayton gegeneinander an und das erste offizielle Seifenkisten-Derby war geboren. 1935 zog die Veranstaltung nach Akron um, weil der erste Sponsor Chevrolet dort extra eine Rennstrecke für die Teilnehmenden gebaut hatte.

Aber wieso heisst es denn nun «Seifenkiste? Die Legende besagt, dass ein Seifenfabrikant als Werbekampagne Baupläne für die Rennwagen auf seine Seifenkisten druckte und diese so an die Kinder kamen. Nicht schlecht, diese Idee!

Zurück in Lenzburg und zurück aus der Vergangenheit wird dem vom Schlossberg am 21. August 2021 neues Leben eingehaucht. Unter der Leitung des Museum Burghalde in Kooperation mit der IG Seifenkisten Derby Schweiz und der LESA (Lenzburg Space Agency) werden bis zu 60 Jugendliche am Lenzburg Seifenkisten-Derby den Hindernisparcours hinuntersausen.

Mit der Beschaffenheit, der doch bemerkenswert steilen Strecke entlang der Schlossgasse, wird ein Schweizer Rekord gebrochen, wie das Organisationskomitee beschied: Es wurde die schnellst-kürzeste Strecke der Schweiz geschaffen.



Weitere Informationen sind unter www.seifi.ch zu finden
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