Im Juli hat das Bezirksgericht seine Räume im Bezirksgebäude am Metzgplatz verlassen und ist in das neue Gerichtsgebäude am Malagarain gezogen. Aus diesem Anlass wollen wir einen Blick auf jene Gebäude werfen, in denen das Gericht in seiner rund 220jährigen Geschichte residierte.
In der letzten Zeitreise befassten wir uns mit den ersten beiden Standorten des Bezirksgerichts im Rathaus und im alten Amtshaus sowie mit dem Neubau des Verwaltungsgebäudes (Bezirksgebäude) am Metzgplatz. Die aktuelle Zeitreise befasst sich mit den Veränderungen, welche das Bezirksgebäude und die darin untergebrachten Institutionen seit dem Bau des Gebäudes bis heute erlebten.
Im Vergleich zu den beengten Verhältnissen im Alten Amtshaus und der bis dahin nur provisorischen Räume für die Städtischen Werke (SWL) in verschiedenen Gebäulichkeiten bot das neue Verwaltungsgebäude am Metzgplatz grosszügige Raumverhältnisse und verfügte 1940 über Raumreserven. Im Untergeschoss waren Werkstatt- und Lagerräume der SWL untergebracht, im Parterre lagen die Büros der SWL sowie, auf der Seite des Grabenwegs, deren Laden und, zum Metzplatz hin, der Kantonspolizeiposten. In den Obergeschossen waren das Bezirksgericht und das Bezirksamt untergebracht. 1951 zügelten auch noch das Grundbuchamt und der Bezirksgeometer vom Rathaus ins Bezirksgebäude. Das Grundbuchamt hatte im Rathaus das Rixheimer Zimmer belegt. Die Büros des Bezirksgeometers lagen in der Westhälfte des zweiten Obergeschosses des Rathauses, Seite Rathausgasse.
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte in Stadt und Bezirks Lenzburg ein starkes Wachstum ein, wodurch die Aufgaben der im Bezirksgebäude tätigen Institutionen und ihr Mitarbeiter- und Raumbedarf wuchsen.
Die Gemeindeversammlung vom 8. Juni 1964 genehmigte einhellig ein Projekt, das den Abbruch des östlich an das Bezirksgebäude anschliessenden Hauserhauses sowie des Alten Gemeindesaales vorsah. An ihrer Stelle wäre das Bezirksgebäude verlängert und mit zwei Untergeschossen versehen worden. Man wollte damit den zusätzlichen Raumbedarf decken und im Untergeschoss eine Truppenunterkunft für das Militär schaffen. Dank der von der Bundesversammlung erlassenen Beschlüsse zur Dämpfung der damals überbordenden Baukonjunktur konnte das Projekt nicht verwirklicht werden. Und wenig später sah man ein, dass die Raumbedürfnisse für die SWL und die Truppenunterkunft andernorts besser gedeckt werden konnten. Die Truppenunterkunft konnte bereits 1969 zusammen mit der Mehrzweckhalle auf der Schützenmatte realisiert werden. Der neue Werkhof für das Stadtbauamt und die SWL nördlich des Bahndammes liess noch etwas länger auf sich warten.
Die SWL verlassen das Bezirksgebäude, der Graben wird umgestaltet
Noch bevor die SWL im Sommer 1982 aus dem Bezirksgebäude in den neuen Werkhof umzogen, räumten sie ihren Laden am Grabenweg. Der Laden der SWL für Leuchten und Elektroapparate wurde 1981 an der Rathausgasse 9 in den vorher vom Bekleidungsgeschäft der Tuch AG belegten Räumlichkeiten eröffnet. Da er nie eine zufriedenstellende Rendite erreichte, wurde der Laden im Januar 1997 geschlossen. Ihn ereilte damit dasselbe Schicksal, das die Elektroläden anderer lokaler Installationsunternehmen schon vorher erlitten hatten oder ihnen bald danach widerfuhr.
Der Umzug des Ladens in die Rathausgasse ermöglichte die Neugestaltung des obersten Abschnitts des südlichen Stadtgrabens. Beim Neubau des Bezirksgebäudes war der Graben vor dem Laden auf das Niveau des Grabenweges aufgefüllt und der Platz mit einem Teerbelag versehen worden (vergleiche dazu das dem Titel unterlegte Bild). Noch vor dem Umbau des Bezirksgebäudes wurde 1984 dieser oberste Abschnitt des ehemaligen Stadtgrabens wieder ausgehoben und als Grünanlage gestaltet. Entlang dem Grabenweg wurde eine neue Bruchsteinmauer nach dem Muster der weiter unten noch vorhandenen alten Abschlussmauer errichtet.
Es war von Anfang an klar, dass das Bezirksgebäude nach dem Auszug der SWL für die Bedürfnisse der Bezirksbehörden umgebaut werden sollte. Nur dauerte es längere Zeit, bis der Umbau über die Bühne gehen konnte. Denn über das Raumprogramm entstanden langwierige Diskussionen mit den zuständigen Instanzen des Kantons Aargau. Erst der Wegzug von Grundbuchamt und Bezirksgeometer brachte hier Entspannung.
Das Grundbuchamt und der Bezirksgeometer bezogen im Juli 1984 neue Räume in der neu erstellten Überbauung Brättligäu. Bis dahin hatten sie Räume im Bezirksgebäude und im Hauserhaus genutzt. Im Februar 2001 zügelten die beiden Institutionen erneut an die Sägestrasse in ein Bürogebäude im AEW-Areal. Seit September 2015 hat nicht mehr jeder Bezirk sein Grundbuchamt; es entstanden 4 regionale Grundbuchämter. Für die Bezirke Bremgarten, Lenzburg und Muri ist das Grundbuchamt Wohlen zuständig.
Erst im März 1988 konnte der Einwohnerrat schliesslich einen Kredit von 2’046’000 Franken für den Umbau des Bezirksgebäudes bewilligen. Die langwierigen Umbauarbeiten zogen sich bis in den Herbst 1990 hin. Effektiv kostete der Umbau in einer Zeit grosser Bauteuerung 2’781’304 Franken.
Nachdem Grundbuchamt und Bezirksgeometer in ihre neuen Räume im Brättligäu gezogen waren, war nun klar, dass das Hauserhaus nicht in den Umbau des Bezirksgebäudes einbezogen werden musste. Das baufällige Gebäude wurde 1987 im Baurecht an das Ehepaar Jürg und Iris Hippele-Ceolon übergeben. Sie liessen das Gebäude 1988 renovieren und eröffneten im Januar 1989 im Erdgeschoss das Art Atelier Aquatinta, das vorher in der alten Kartonfabrik im Wyl untergebracht war. Das Obergeschoss und das neue mit kleinen Lukarnen versehene Dachgeschoss wurden als Wohnung ausgebaut. 1994 erwarb das Ehepaar Gregor und Helene Emmenegger das Haus. Helene Emmenegger führte die Galerie Aquatinta bis 2014 weiter. Heute gehört das Hauserhaus der Lenzhof AG.
Seinen Namen hat das Haus von Johann Hauser, Notar. Er liess das Gebäude 1879/80 an Stelle der Löwenscheune errichten, welche den östlichen Abschluss der an der südlichen Stadtmauer gelegenen Scheunen bildete. Johann Hauser war von 1873 bis zu seinem Tod nach schwerer Krankheit am 19. Juli 1902 Leiter der Hypothekarbank Lenzburg. Damit der Neubau errichtet werden konnte, musste der seit 1845 hier stehende Klausbrunnen ans Südende des Brättligäu verschoben werden. Wer sich näher für die «Reisen» des Klausbrunnens interessiert, der heute an seinem sechsten Standort steht, dem seien die Zeitreisen vom Juli und vom September 2022 empfohlen.
Übrigens ist das Hauserhaus im Hinblick auf eine schon damals geplante Erweiterung des Bezirksgebäudes mit einem neuen Gemeindesaal gemäss Dekret vom 16. Dezember 1946 von der Gemeinde durch Enteignung erworben worden. Auch dieses Projekt wurde, wie jenes von 1964, nicht ausgeführt.
Das Zentralgefängnis löst das Bezirksgefängnis ab
Da die meisten Aargauer Bezirksgefängnisse in alten Gebäuden untergebracht waren und den zeitgemässen Anforderungen bei weitem nicht mehr genügten, liess der Kanton Aargau südlich der Strafanstalt an der Wilstrasse ein Zentralgefängnis für Untersuchungshäftlinge und den Vollzug von kurzen Freiheitsstrafen errichten. Dieses wurde im Frühjahr 2011 in Betrieb genommen und ersetzte auch das Bezirksgefängnis Lenzburg in den obersten Geschossen des Bezirksgebäudes. Damit gehörte auch eine Erscheinung der Vergangenheit an, die aufmerksamen Lenzburgern nicht entgehen konnte: Weil den Gefangenen ein Recht auf Bewegung an der frischen Luft zusteht und es im Bezirksgefängnis keinen Spazierhof gab, sah man jeweils eine Gruppe von Gefangenen in Begleitung von zwei Kantonspolizisten auf ihrem Frischluft-Marsch in aller Öffentlichkeit.
Standen den Bezirksinstitutionen nach dem Umbau des Bezirksgebäudes erheblich mehr Räume zur Verfügung, so war der Raumbedarf dennoch nicht auf Dauer gedeckt. Denn die Aufgaben des Bezirksgerichts nahmen mit der wachsenden Bevölkerung im Bezirk Lenzburg zu. Vor allem aber wurden dem Bezirksgericht neue Aufgaben zugewiesen: Schon vor einigen Jahrzehnten war das aargauische Geschworenengericht abgeschafft worden, das die besonders schweren Verbrechen wie z.B. Mord, vorsätzliche Tötung oder Raub beurteilte. Damit hatte das Bezirksgericht auch diese besonders aufwendigen Prozesse zu führen, soweit die Taten den Bezirk Lenzburg betrafen. Mit der Revision des im Schweizerischen Zivilgesetzbuch geregelten Vormundschaftsrechts auf den 1. Januar 2013 wurde dem Bezirksgericht eine aufwendige neue Aufgabe übertragen: Es ist die für den Bezirk Lenzburg zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und löst die Gemeinderäte der 20 Gemeinden des Bezirks ab, die bis dahin als Vormundschaftsbehörde diese umfangreiche Arbeit erledigt hatten. Neben der Prüfung und Anordnung von Kindesschutzmassnahmen, Beistandschaften usw. gehört dazu auch die Aufsicht über die angeordneten Massnahmen.
Zum zusätzlichen Raumbedarf gesellte sich ein weiteres Problem: Die Statik des Bezirksgebäudes erwies sich als schwach und genügte den verschärften SIA-Normen nicht mehr. Eine Sanierung dieser strukturellen Baumängel ist zwar möglich, liess sich aber für das Bezirksgericht nicht mit vertretbarem Aufwand umsetzen, weil dessen Betrieb ja nicht einfach unterbrochen werden konnte und die Errichtung umfangreicher kostspieliger Provisorien erfordert hätte. Deshalb wurde bereits vor rund 20 Jahren die Planung neuer Räume für das Gericht eingeleitet. Dazu dann mehr in der nächsten Zeitreise.
Die Bezirksämter, die seit der Schaffung des Kantons Aargau 1803 eine wichtige Rolle beim Vollzug verschiedenster Aufgaben erfüllt hatten, wurden auf den 31. Dezember 2012 aufgehoben. Ihre zuletzt wohl zeitaufwendigste Aufgabe als Untersuchungsbehörde und Strafbefehlsrichter übernahmen ab 2012 die 6 regionalen Staatsanwaltschaften. Für den Bezirk Lenzburg ist dies die im «Schneeflöcklihaus» an der Bahnhofstrasse 4 untergebrachte Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau. Als Aufsichtsbehörde im Vormundschaftswesen wurden die Bezirksämter durch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ebenfalls abgelöst. Ihre dritte wichtige Funktion als Bindeglied zwischen den Gemeinden und dem Kanton bei der Resultatermittlung von Wahlen und Abstimmungen verloren sie durch die Einführung der elektronischen Datenübermittlung zwischen den Gemeinden und dem Kanton.
Der Wegfall des Bezirksamtes setzte Räume im Bezirksgebäude frei, die den zusätzlichen Raumbedarf der KESB bis zum Bezug des geplanten Neubaus decken konnten.
Auch die Kantonspolizei zog wegen der festgestellten Mängel am Bezirksgebäude im Juni 2020 aus. Ihre Büros liegen neu im 1. und 2. Obergeschoss des Geschäftshauses Malaga an der Niederlenzerstrasse 27. Dieses liegt unmittelbar neben dem neuen Bezirksgerichtsgebäude. Auch die Regionalpolizei Lenzburg ist bereits seit 2007 hier im 2. Obergeschoss untergebracht. Damit sind nun die Posten der Kantons- und der Regionalpolizei am gleichen Ort zu finden.
Nach dem Auszug aller Bezirksinstitutionen aus dem Bezirksgebäude erinnert nur noch die vom Lenzburger Bildhauer Arnold Hünerwadel geschaffene Plastik der «Justitia» an die Suche nach Recht und Gerechtigkeit, der das Gebäude bislang gedient hatte: Eine wohlgestaltete, kräftige Frauengestalt richtet als Göttin der Gerechtigkeit mit dem Richtschwert über Gut und Böse. Obwohl sich noch der Teufel an den Geldsack auf der einen Seite der Waage hängt, neigt sich diese auf die Seite des Herzens als Symbol für Liebe, Glaube und Gerechtigkeit.
In der nächsten Zeitreise befassen wir uns mit dem neuen Gerichtsstandort am Malagarain und dem, was vorher dort war.
In der letzten Zeitreise befassten wir uns mit den ersten beiden Standorten des Bezirksgerichts im Rathaus und im alten Amtshaus sowie mit dem Neubau des Verwaltungsgebäudes (Bezirksgebäude) am Metzgplatz. Die aktuelle Zeitreise befasst sich mit den Veränderungen, welche das Bezirksgebäude und die darin untergebrachten Institutionen seit dem Bau des Gebäudes bis heute erlebten.
Im Bezirksgebäude wird der Raum knapp
Im Vergleich zu den beengten Verhältnissen im Alten Amtshaus und der bis dahin nur provisorischen Räume für die Städtischen Werke (SWL) in verschiedenen Gebäulichkeiten bot das neue Verwaltungsgebäude am Metzgplatz grosszügige Raumverhältnisse und verfügte 1940 über Raumreserven. Im Untergeschoss waren Werkstatt- und Lagerräume der SWL untergebracht, im Parterre lagen die Büros der SWL sowie, auf der Seite des Grabenwegs, deren Laden und, zum Metzplatz hin, der Kantonspolizeiposten. In den Obergeschossen waren das Bezirksgericht und das Bezirksamt untergebracht. 1951 zügelten auch noch das Grundbuchamt und der Bezirksgeometer vom Rathaus ins Bezirksgebäude. Das Grundbuchamt hatte im Rathaus das Rixheimer Zimmer belegt. Die Büros des Bezirksgeometers lagen in der Westhälfte des zweiten Obergeschosses des Rathauses, Seite Rathausgasse.
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte in Stadt und Bezirks Lenzburg ein starkes Wachstum ein, wodurch die Aufgaben der im Bezirksgebäude tätigen Institutionen und ihr Mitarbeiter- und Raumbedarf wuchsen.
Ein zum Glück nicht ausgeführtes Erweiterungsprojekt

Bild: Das Projekt für die Erweiterung des Bezirksgebäudes aus dem Jahre 1964. Bildquelle: Vorlage an die Gemeindeversammlung
Die Gemeindeversammlung vom 8. Juni 1964 genehmigte einhellig ein Projekt, das den Abbruch des östlich an das Bezirksgebäude anschliessenden Hauserhauses sowie des Alten Gemeindesaales vorsah. An ihrer Stelle wäre das Bezirksgebäude verlängert und mit zwei Untergeschossen versehen worden. Man wollte damit den zusätzlichen Raumbedarf decken und im Untergeschoss eine Truppenunterkunft für das Militär schaffen. Dank der von der Bundesversammlung erlassenen Beschlüsse zur Dämpfung der damals überbordenden Baukonjunktur konnte das Projekt nicht verwirklicht werden. Und wenig später sah man ein, dass die Raumbedürfnisse für die SWL und die Truppenunterkunft andernorts besser gedeckt werden konnten. Die Truppenunterkunft konnte bereits 1969 zusammen mit der Mehrzweckhalle auf der Schützenmatte realisiert werden. Der neue Werkhof für das Stadtbauamt und die SWL nördlich des Bahndammes liess noch etwas länger auf sich warten.
Die SWL verlassen das Bezirksgebäude, der Graben wird umgestaltet
Noch bevor die SWL im Sommer 1982 aus dem Bezirksgebäude in den neuen Werkhof umzogen, räumten sie ihren Laden am Grabenweg. Der Laden der SWL für Leuchten und Elektroapparate wurde 1981 an der Rathausgasse 9 in den vorher vom Bekleidungsgeschäft der Tuch AG belegten Räumlichkeiten eröffnet. Da er nie eine zufriedenstellende Rendite erreichte, wurde der Laden im Januar 1997 geschlossen. Ihn ereilte damit dasselbe Schicksal, das die Elektroläden anderer lokaler Installationsunternehmen schon vorher erlitten hatten oder ihnen bald danach widerfuhr.
Der Umzug des Ladens in die Rathausgasse ermöglichte die Neugestaltung des obersten Abschnitts des südlichen Stadtgrabens. Beim Neubau des Bezirksgebäudes war der Graben vor dem Laden auf das Niveau des Grabenweges aufgefüllt und der Platz mit einem Teerbelag versehen worden (vergleiche dazu das dem Titel unterlegte Bild). Noch vor dem Umbau des Bezirksgebäudes wurde 1984 dieser oberste Abschnitt des ehemaligen Stadtgrabens wieder ausgehoben und als Grünanlage gestaltet. Entlang dem Grabenweg wurde eine neue Bruchsteinmauer nach dem Muster der weiter unten noch vorhandenen alten Abschlussmauer errichtet.

Bild: Die Arbeiten für die Neugestaltung des Grabens im Jahre 1984. Bildquelle: Fotosammlung Stadtbauamt
Langwieriges Hin- und Her mit dem Kanton vor dem Umbau; Auszug von Grundbuchamt und Bezirksgeometer
Es war von Anfang an klar, dass das Bezirksgebäude nach dem Auszug der SWL für die Bedürfnisse der Bezirksbehörden umgebaut werden sollte. Nur dauerte es längere Zeit, bis der Umbau über die Bühne gehen konnte. Denn über das Raumprogramm entstanden langwierige Diskussionen mit den zuständigen Instanzen des Kantons Aargau. Erst der Wegzug von Grundbuchamt und Bezirksgeometer brachte hier Entspannung.
Das Grundbuchamt und der Bezirksgeometer bezogen im Juli 1984 neue Räume in der neu erstellten Überbauung Brättligäu. Bis dahin hatten sie Räume im Bezirksgebäude und im Hauserhaus genutzt. Im Februar 2001 zügelten die beiden Institutionen erneut an die Sägestrasse in ein Bürogebäude im AEW-Areal. Seit September 2015 hat nicht mehr jeder Bezirk sein Grundbuchamt; es entstanden 4 regionale Grundbuchämter. Für die Bezirke Bremgarten, Lenzburg und Muri ist das Grundbuchamt Wohlen zuständig.
Erst im März 1988 konnte der Einwohnerrat schliesslich einen Kredit von 2’046’000 Franken für den Umbau des Bezirksgebäudes bewilligen. Die langwierigen Umbauarbeiten zogen sich bis in den Herbst 1990 hin. Effektiv kostete der Umbau in einer Zeit grosser Bauteuerung 2’781’304 Franken.
Veräusserung des Hauserhauses
Nachdem Grundbuchamt und Bezirksgeometer in ihre neuen Räume im Brättligäu gezogen waren, war nun klar, dass das Hauserhaus nicht in den Umbau des Bezirksgebäudes einbezogen werden musste. Das baufällige Gebäude wurde 1987 im Baurecht an das Ehepaar Jürg und Iris Hippele-Ceolon übergeben. Sie liessen das Gebäude 1988 renovieren und eröffneten im Januar 1989 im Erdgeschoss das Art Atelier Aquatinta, das vorher in der alten Kartonfabrik im Wyl untergebracht war. Das Obergeschoss und das neue mit kleinen Lukarnen versehene Dachgeschoss wurden als Wohnung ausgebaut. 1994 erwarb das Ehepaar Gregor und Helene Emmenegger das Haus. Helene Emmenegger führte die Galerie Aquatinta bis 2014 weiter. Heute gehört das Hauserhaus der Lenzhof AG.
Bild: Das verlotterte Hauserhaus vor der Renovation im Jahre 1988. Bildquelle: Museum Burghalde, Sammlung Nussbaum, GRE-229
Seinen Namen hat das Haus von Johann Hauser, Notar. Er liess das Gebäude 1879/80 an Stelle der Löwenscheune errichten, welche den östlichen Abschluss der an der südlichen Stadtmauer gelegenen Scheunen bildete. Johann Hauser war von 1873 bis zu seinem Tod nach schwerer Krankheit am 19. Juli 1902 Leiter der Hypothekarbank Lenzburg. Damit der Neubau errichtet werden konnte, musste der seit 1845 hier stehende Klausbrunnen ans Südende des Brättligäu verschoben werden. Wer sich näher für die «Reisen» des Klausbrunnens interessiert, der heute an seinem sechsten Standort steht, dem seien die Zeitreisen vom Juli und vom September 2022 empfohlen.
Übrigens ist das Hauserhaus im Hinblick auf eine schon damals geplante Erweiterung des Bezirksgebäudes mit einem neuen Gemeindesaal gemäss Dekret vom 16. Dezember 1946 von der Gemeinde durch Enteignung erworben worden. Auch dieses Projekt wurde, wie jenes von 1964, nicht ausgeführt.
Das Zentralgefängnis löst das Bezirksgefängnis ab
Da die meisten Aargauer Bezirksgefängnisse in alten Gebäuden untergebracht waren und den zeitgemässen Anforderungen bei weitem nicht mehr genügten, liess der Kanton Aargau südlich der Strafanstalt an der Wilstrasse ein Zentralgefängnis für Untersuchungshäftlinge und den Vollzug von kurzen Freiheitsstrafen errichten. Dieses wurde im Frühjahr 2011 in Betrieb genommen und ersetzte auch das Bezirksgefängnis Lenzburg in den obersten Geschossen des Bezirksgebäudes. Damit gehörte auch eine Erscheinung der Vergangenheit an, die aufmerksamen Lenzburgern nicht entgehen konnte: Weil den Gefangenen ein Recht auf Bewegung an der frischen Luft zusteht und es im Bezirksgefängnis keinen Spazierhof gab, sah man jeweils eine Gruppe von Gefangenen in Begleitung von zwei Kantonspolizisten auf ihrem Frischluft-Marsch in aller Öffentlichkeit.
Neue Aufgaben für das Bezirksgericht, ein Neubau drängt sich auf
Standen den Bezirksinstitutionen nach dem Umbau des Bezirksgebäudes erheblich mehr Räume zur Verfügung, so war der Raumbedarf dennoch nicht auf Dauer gedeckt. Denn die Aufgaben des Bezirksgerichts nahmen mit der wachsenden Bevölkerung im Bezirk Lenzburg zu. Vor allem aber wurden dem Bezirksgericht neue Aufgaben zugewiesen: Schon vor einigen Jahrzehnten war das aargauische Geschworenengericht abgeschafft worden, das die besonders schweren Verbrechen wie z.B. Mord, vorsätzliche Tötung oder Raub beurteilte. Damit hatte das Bezirksgericht auch diese besonders aufwendigen Prozesse zu führen, soweit die Taten den Bezirk Lenzburg betrafen. Mit der Revision des im Schweizerischen Zivilgesetzbuch geregelten Vormundschaftsrechts auf den 1. Januar 2013 wurde dem Bezirksgericht eine aufwendige neue Aufgabe übertragen: Es ist die für den Bezirk Lenzburg zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und löst die Gemeinderäte der 20 Gemeinden des Bezirks ab, die bis dahin als Vormundschaftsbehörde diese umfangreiche Arbeit erledigt hatten. Neben der Prüfung und Anordnung von Kindesschutzmassnahmen, Beistandschaften usw. gehört dazu auch die Aufsicht über die angeordneten Massnahmen.
Zum zusätzlichen Raumbedarf gesellte sich ein weiteres Problem: Die Statik des Bezirksgebäudes erwies sich als schwach und genügte den verschärften SIA-Normen nicht mehr. Eine Sanierung dieser strukturellen Baumängel ist zwar möglich, liess sich aber für das Bezirksgericht nicht mit vertretbarem Aufwand umsetzen, weil dessen Betrieb ja nicht einfach unterbrochen werden konnte und die Errichtung umfangreicher kostspieliger Provisorien erfordert hätte. Deshalb wurde bereits vor rund 20 Jahren die Planung neuer Räume für das Gericht eingeleitet. Dazu dann mehr in der nächsten Zeitreise.
Die Bezirksämter werden abgeschafft
Die Bezirksämter, die seit der Schaffung des Kantons Aargau 1803 eine wichtige Rolle beim Vollzug verschiedenster Aufgaben erfüllt hatten, wurden auf den 31. Dezember 2012 aufgehoben. Ihre zuletzt wohl zeitaufwendigste Aufgabe als Untersuchungsbehörde und Strafbefehlsrichter übernahmen ab 2012 die 6 regionalen Staatsanwaltschaften. Für den Bezirk Lenzburg ist dies die im «Schneeflöcklihaus» an der Bahnhofstrasse 4 untergebrachte Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau. Als Aufsichtsbehörde im Vormundschaftswesen wurden die Bezirksämter durch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ebenfalls abgelöst. Ihre dritte wichtige Funktion als Bindeglied zwischen den Gemeinden und dem Kanton bei der Resultatermittlung von Wahlen und Abstimmungen verloren sie durch die Einführung der elektronischen Datenübermittlung zwischen den Gemeinden und dem Kanton.
Der Wegfall des Bezirksamtes setzte Räume im Bezirksgebäude frei, die den zusätzlichen Raumbedarf der KESB bis zum Bezug des geplanten Neubaus decken konnten.
Auszug der Kantonspolizei
Auch die Kantonspolizei zog wegen der festgestellten Mängel am Bezirksgebäude im Juni 2020 aus. Ihre Büros liegen neu im 1. und 2. Obergeschoss des Geschäftshauses Malaga an der Niederlenzerstrasse 27. Dieses liegt unmittelbar neben dem neuen Bezirksgerichtsgebäude. Auch die Regionalpolizei Lenzburg ist bereits seit 2007 hier im 2. Obergeschoss untergebracht. Damit sind nun die Posten der Kantons- und der Regionalpolizei am gleichen Ort zu finden.

Bild: Die Plastik «Justitia» von Arnold Hünerwadel beim Eingang ins Bezirksgebäude. Bildlegende: Fotografie CM
Nach dem Auszug aller Bezirksinstitutionen aus dem Bezirksgebäude erinnert nur noch die vom Lenzburger Bildhauer Arnold Hünerwadel geschaffene Plastik der «Justitia» an die Suche nach Recht und Gerechtigkeit, der das Gebäude bislang gedient hatte: Eine wohlgestaltete, kräftige Frauengestalt richtet als Göttin der Gerechtigkeit mit dem Richtschwert über Gut und Böse. Obwohl sich noch der Teufel an den Geldsack auf der einen Seite der Waage hängt, neigt sich diese auf die Seite des Herzens als Symbol für Liebe, Glaube und Gerechtigkeit.
In der nächsten Zeitreise befassen wir uns mit dem neuen Gerichtsstandort am Malagarain und dem, was vorher dort war.
Titelbild: Das Bezirksgebäude vor dem Umbau 1988 bis 1990 mit dem geteerten Platz vor dem Laden (aufgefüllter Stadtgraben). Bildquelle: Fotosammlung Stadtbauamt.
Über
We Love Lenzburg macht jeden Monat eine Reise ins vergangene Lenzburg.
Christoph Moser, 77, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.

