Kuriositätenkabinett

Aus neu mach alt

Handwerkliche Edelstücke für das Museum. Ein kleiner Ausflug in die Welt der nachgebauten archäologischen Funde, die Repliken.

Von Irène Fiechter

 

Im Museum Burghalde sind im Erdgeschoss steinzeitliche Objekte zu finden, die berührt und teilweise in die Hände genommen werden dürfen. Dies sind sogenannte Repliken, also massgetreue Nachbildungen eines archäologischen Fundes. Ein Grossteil der Repliken sind vom Kurator der archäologischen Ausstellung gemacht worden.
Ein archäologisches Replikat, wie es fürs Museum hergestellt wird, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Nicht nur sind die verwendeten Materialien dieselben wie beim Original, sie werden nach Möglichkeit auch mit damals verfügbaren Werkzeugen bearbeitet.
Woher weiss nun unser Archäologe, welche Werkzeuge und vor allem welche Materialien in der Vergangenheit benutzt wurden?
Steinbeilreplikat mit den originalen Vorbildern

Wunderwerk Steinbeil


Die wichtigste Grundlange sind natürlich die Fundstücke, die auf Ausgrabungen entdeckt werden. Das Steinbeil soll hier als Beispiel dienen. Häufig sind Originalfunde nicht vollständig erhalten. Was sicher überliefert ist, ist die robuste Klinge aus Stein. Organische Funde überdauern hingegen nur in seltenen Fällen mehrere Jahrtausende im Boden. Fehlt der Holzgriff des Steinbeils, dienen besser erhaltene, vergleichbare Funde als Inspiration – zum Beispiel ein Exemplar, das sich im feuchten Boden einer Pfahlbausiedlung vollständig erhalten hat. Auch Werkzeuge, die sich zur Herstellung eines Steinbeils eignen, sind aus Ausgrabungen bekannt; zum Beispiel Sandsteine zum Schleifen der Beilklinge, Feuersteinklingen oder Knochenwerkzeuge zum Schnitzen des Beilgriffes. Bleiben gewissen Faktoren und Arbeitsschritte unbekannt, kommt die experimentelle Archäologie zum Einsatz: In wissenschaftlichen Versuchen wird ausprobiert, welche Arbeitsweise sich am besten bewährt. Beim Beilgriff etwa die Werkzeugwahl für die Bearbeitung der Holzoberfläche. War es Feuerstein, Knochen, oder womöglich sogar Fischhaut – quasi urgeschichtliches Schleifpapier? Ist das Steinbeil fertig gebaut, wird es getestet. Wie lange dauert es, damit einen Baum zu fällen? Hält das Beil der Belastung stand? Welche Arbeitsspuren sind am bearbeiteten Holz sichtbar? Alle Beobachtungen treiben die archäologische Forschung voran und öffnen uns neue, kleine Fenster in die Vergangenheit.
Mit Feuerstein bearbeitete Holmendung

Replik gleich Fälschung?


Nur selten werden Repliken ausschliesslich mit (prä-)historisch korrekten Werkzeugen produziert. Heute muss es manchmal schnell gehen, und so sind auch bei diesen Arbeiten die Bandsäge und Schleifmaschine gefragt. Dank den modernen Helfern dauert die Produktion eines einsatzbereiten Steinbeils lediglich einen Tag statt ganzen fünf. Spuren moderner Maschinen am fertigen Steinbeil sind allerdings tabu. Der «Feinschliff» wird deshalb jeweils mit authentischem Werkzeug gemacht.
Perfekt nachgearbeitete Repliken bergen allerdings ein Risiko:
Wird ein solches Stück für eine bestimmte Zeit im Boden vergraben, ist es danach kaum mehr von einem Original zu unterscheiden. Und so wird aus dem im Feld verlorenen, nachgebauten Steinbeil nach wenigen Jahren plötzlich eine bedeutende archäologische Fundstelle. Damit also eine Replik nicht zur Fälschung wird, gibt es bestimmte Vorsichtsmassnahmen. Repliken aus dem «Edelsektor» werden nur an andere Museen und nicht an Privatpersonen verkauft. Für den Verkauf werden absichtlich «Fehler» eingebaut: Bei einem Feuersteinmesser wird beispielsweise ein Stein genommen, der früher in dieser Region nicht vorkam. Für Münzen wird eine Legierung verwendet, die noch nicht existierte, als die Originale geprägt wurden. Diese Tricks sorgen dafür, dass sich zukünftige Archäologen nicht von «neuem Altem» täuschen lassen.
Speerschleuder: Originalfund und Repliken