Bis zur Eröffnung der Heitersberglinie am 1. Juni 1975 herrschte für alle Züge in Lenzburg die Tempoansage «Largo». Die Herokurve ging nämlich für beide Streckengleise beim damaligen Stellwerk 2 (siehe Titelbild) auf einer nur mit 40 km/h zu befahrenden ablenkenden Weiche in die Gerade der Durchfahrtsgleise 2 und 3 des Bahnhofs nach bzw. von Rupperswil über. Die zahlreichen damals Lenzburg passierenden Gotthard-Transitgüterzüge mussten daher im Gefälle von 10 Promille auf dem Bahndamm auf 40 km/h abbremsen, was den Anwohnern viel rostigen Bremsstaub bescherte. Oft setzte dieser sich auch auf der zum Trocknen aufgehängten Wäsche ab. Heute befahren die durchfahrenden Fernverkehrszüge die Hero-Kurve «allegro» mit 125 km/h, um Richtung Rupperswil wieder auf 140 km/h zu beschleunigen. Den Lokführerinnen und Lokführern zeigen Lichtsignale die eingestellte Fahrstrasse und die erlaubte Geschwindigkeit an. Diese Zugfahrstrassen werden für das gesamte Netz der Schweizerischen Bundesbahnen von 4 grossen Fernsteuerzentralen aus bedient. Lenzburg gehört zur Fernsteuerzentrale Olten. Die Fahrdienstleiter und Stellwerkwärter, welche früher in jeder Stationen und jedem Bahnhof die Weichen und Signale bedienten, sind längst verschwunden.
Die jüngeren Generationen der Bahnreisenden können sich kaum mehr vorstellen, wie der Bahnverkehr funktionierte, als der Autor von 1964 bis 1968 in Aarau die Kantonsschule besuchte. Man reiste nicht mit klimatisierten Wagen, in die man von erhöhten Perrons ohne Stufen einsteigen kann. Der Bahnhof Lenzburg hatte damals keine durch Unterführungen erschlossene Perrons. Es gab lediglich asphaltierte, gut einen Meter breite «Miniperrons» zwischen den Gleisen. Sie waren nur wenige Zentimeter höher als die Schienen. Man erreichte diese Einstiegshilfen an den Gleisen 2 und 3 nur durch Überqueren der Gleise 1 bzw. 1 und 2.
Die Personenzüge von Aarau nach Arth-Goldau und umgekehrt, welche für Lenzburger via Rupperswil die schnellste Verbindung nach Aarau waren (mit fast doppelt so langer Fahrzeit wie heute), wurden meist von Lokomotiven des Typs Ae 3/6II aus den 1920er-Jahren geführt. Die Kompositionen bestanden in der Regel aus älteren vierachsigen Wagen, führten manchmal aber auch noch alte Zwei- oder Dreiachser-Personenwagen mit.
Heute werden die Fahrstrassen der Züge anhand der mit der Zugnummer verknüpften Zuglenkkriterien von den Computern der Fernsteuerzentralen automatisch eingestellt, solange die Fahrdienstleiter der Fernsteuerzentrale nicht bei betrieblichen Unregelmässigkeiten mit manueller Steuerung eingreifen.
Nicht so damals. Ein Zug kündigte sich mit der Signalglocke an: Wenn Rupperswil einen Zug nach Lenzburg auf die Strecke schickte, betätigte der Beamte die Signalglocke. Diese läutete dann im abfertigenden Bahnhof, im Zielbahnhof und auch bei dazwischen liegenden Stellwerken oder Barrierenwärterhäuschen. Für jede Strecke gab es eine Signalglocke, die ihren besonderen Klang hatte. Die drei Glocken beim Befehls-Stellwerk im Bahnhof Lenzburg schlugen zweitönig (Gexi) oder eintönig mit einem tieferen (Rupperswil) und einem höheren Ton (Hunzenschwil), also gling-glang, gling-glang, gling-glang oder gling-gling-gling-gling-gling-gling. Für Züge von Nord nach Süd erklang der Glockenschlag in ein einer einzelnen 6er-Serie, für Züge von Süd nach Nord in einer doppelten Serie. Diese Signalglocken hörte man natürlich auch in der Umgebung des Bahnhofs, und irgendwie brachten sie viel Romantik in den Eisenbahnbetrieb und vermittelten manchmal auch Reiselust oder Fernweh. – Im heutigen Eisenbahnbetrieb vermisst man diese wohlklingenden Töne. Der Autor hat nie verstanden, dass die SBB diese Signalglocken überall verschwinden liessen, auch in so wichtigen Touristen-Hotspots wie dem Bahnhof Luzern.
Spätestens jetzt haben Sie bestimmt gemerkt, dass der Autor ein Hobby-Eisenbähnler ist, und das war er auch schon während seiner Schulzeit. Daher rührte auch sein Spitznamen «Gling-Glang», unter welchem er in der Lenzburger Bezirksschule bekannt war.
Werden die Signale und Weichen für die Züge heute wie von Geisterhand von den Fernsteuerzentren gestellt, war dies früher harte Muskelarbeit vor allem der Stellwerkwärter. Sie bedienten die Weichen- und Signalhebel, mit welchen mittels Drahtzügen die mechanischen Signale und meist über Gestänge die Weichen gestellt wurden.
Auf der Aufnahme sind die vom unteren Bildrand zum linken Bildrand verlaufenden Weichengestänge gut zu erkennen. Mit ihnen wurden vom Stellwerk aus die Weichen bedient. Nahe beim linken Bildrand (neben dem Gestänge) erkennt man auch eine Drahtführungsrolle für den Draht zum einige Hundert Meter entfernten Einfahrsignal.
Der Dammweg war bis 1971 ein beliebter Fussweg, der entlang dem nördlichen Fuss des Bahndamms zum Bahnhof führte. Der letzte Abschnitt im Bereich des ehemaligen Fabrikgeländes der Hero verlief zwischen einer rund 2 Meter hohen Einfriedungsmauer der Hero und dem Bahndamm (vgl. die Abbildung oben mit dem Stellwerk 2). Die Herokurve wurde für den Ausbau der Heitersberglinie nach Norden gestreckt. Auch der von 5 auf 6 Gleise ausgebaute und zusätzlich breite Perrons aufweisende neue Bahnhof reichte nun bis an die Breitfeldstrasse bzw. die angrenzenden Liegenschaften. Vorher lag auf der Nordseite des Bahnhofs ein breiter Geländestreifen mit Schrebergärten. Diese Dammverbreiterung beanspruchte das Gelände des Dammweges und bedeutete damals sein Ende.
Mit dem Bau des Quartiers «Im Lenz» auf dem ehemaligen Hero-Areal ist der Dammweg gewissermassen aus seinem «Dornröschenschlaf» erwacht. Endete der von der Schützenmatte zum Bahnhof führende Weg rund 50 Jahre lang am Aabach, führt er nun wieder bis zum Niederlenzer Kirchweg und ist auch zur Postadresse für die ihn säumenden Gebäude des Quartiers «Im Lenz» geworden.
Umfangreiche Bauarbeiten löste die Ertüchtigung der Bahnanlagen für die Heitersberglinie bei der Brücke über die Niederlenzerstrasse aus. Bis zum Neubau der heutigen Brücke in den Jahren 1974/75 bestand hier nur ein sehr enger Durchlass, flankiert von den wuchtigen mit mächtigen Quadersteinen gemauerten Brückenwiderlagern. Um die neue Brücke bauen zu können, mussten die Geleise zuerst auf Hilfsbrücken abgestützt werden. Dann wurden nach Vorbereitungsarbeiten für den Abbruch die massive alte Brückenkonstruktion zerlegt und von einem Kran stückweise weggehoben.

Das Bild zeigt deutlich, wie schmal der alte Durchlass war. Was für eine Bauphase sehen wir auf dem Bild? Der Eisenbahn-Kran hebt die vor Beginn der Bauarbeiten eingebauten Hilfsbrückenträger vorübergehend wieder weg, damit anschliessend die Betonträger der Brücke zertrennt und abgehoben werden können. Gesperrt ist nur das Gleis mit dem Kran. Auf dem dahinter liegenden Gleis passiert ein Güterzug auf der Hilfsbrücke die Baustelle. Auf dem folgenden Bild sehen wir den Strassenkran beim Wegheben eines der abgetrennten massiven Teile der alten Brücke. Die markanten gemauerten Widerlager blieben während der weiteren Bauarbeiten stehen.

Nach dem Entfernen der alten Brückenteile wurden die Hilfsbrückenträger wieder eingebaut. In einer nächsten Phase folgte der gleiche Arbeitsvorgang für das südliche der beiden Gleise. Hierauf konnte nun die neue Betonbrücke erstellt werden, zuerst die Brückenpfeiler, dann die Brückenplatte. Erst nach ihrer Fertigstellung konnten die Hilfsbrücken ausgebaut und die Gleise ins Schotterbett auf der neuen Brücke gelegt werden. Als letzte Arbeit wurden nun die bis dahin stehen gebliebenen alten Brückenwiderlager abgebrochen. Wie eindrücklich deren Masse war, zeigt der riesige Schutthaufen auf der Fahrbahn der Niederlenzerstrasse.
Diese Ausführungen zeigen, dass dieser Brückenneubau wahrlich eine komplizierte Bauaufgabe war. Denn der Bahnverkehr musste die Baustelle während der gesamten Zeit passieren können.
Von 2008 bis 2010 erfuhren der Lenzburger Bahndamm und der östlich daran anschliessende Bahneinschnitt eine weitere markante Veränderung: Der Damm und das Gleisplanum im Einschnitt mussten auf der Südseite verbreitert werden, um das dritte Gleis Gexi-Lenzburg aufnehmen zu können. Dieses Gleis war unerlässlich, um die Regionalzüge aus dem Freiamt parallel zu den gleichzeitig in Lenzburg durchfahrenden Intercityzügen in den bzw. aus dem Bahnhof Lenzburg führen zu können, wo sie Anschluss an den Fernverkehr vermitteln. Damit der Damm an seinem Fuss nicht noch breiter wurde, erhielt er je nach Gelände unterschiedlich hohe Stützmauern. Im Einschnitt Richtung Gexi wurde das Gleisplanum durch eine Bohrpfahlwand in der südlichen Böschung verbreitert. Die Brücke über die Niederlenzerstrasse wurde durch eine zweite Brücke in gleicher Bauweise südlich der bestehenden ergänzt. Ferner mussten die Brücke des in die Schützenmatte führenden Römerwegs und die erst gut 30 Jahre alte Strassenbrücke beim Gexi nochmals neu gebaut werden.
Da man all diese Veränderungen an Ort und Stelle besichtigen kann, werden sie hier nicht mit Fotos dokumentiert. Nun ist ja bereits wieder ein Totalumbau des Bahnhofs vorgesehen, weil die heutigen Anlagen den enorm gestiegenen Passagierzahlen in den Spitzenstunden bei weitem nicht mehr genügen. Dies wird zu gegebener Zeit Anlass für eine weitere «Zeitreise» bilden, deren Thema der alte Bahnhof und der seinerzeitige Umbau von 1971-1975 sein werden.
Vor 60 Jahren – ein anderes Eisenbahnzeitalter
Die jüngeren Generationen der Bahnreisenden können sich kaum mehr vorstellen, wie der Bahnverkehr funktionierte, als der Autor von 1964 bis 1968 in Aarau die Kantonsschule besuchte. Man reiste nicht mit klimatisierten Wagen, in die man von erhöhten Perrons ohne Stufen einsteigen kann. Der Bahnhof Lenzburg hatte damals keine durch Unterführungen erschlossene Perrons. Es gab lediglich asphaltierte, gut einen Meter breite «Miniperrons» zwischen den Gleisen. Sie waren nur wenige Zentimeter höher als die Schienen. Man erreichte diese Einstiegshilfen an den Gleisen 2 und 3 nur durch Überqueren der Gleise 1 bzw. 1 und 2.
Die Personenzüge von Aarau nach Arth-Goldau und umgekehrt, welche für Lenzburger via Rupperswil die schnellste Verbindung nach Aarau waren (mit fast doppelt so langer Fahrzeit wie heute), wurden meist von Lokomotiven des Typs Ae 3/6II aus den 1920er-Jahren geführt. Die Kompositionen bestanden in der Regel aus älteren vierachsigen Wagen, führten manchmal aber auch noch alte Zwei- oder Dreiachser-Personenwagen mit.

Blick aus der Kabine des Befehlsstellwerks auf die Gleise. Zug mit Ae 3/6II, altem Gepäck-Dreiachser und Einheitswagen I. Gut zu erkennen die schmalen «Perrons» zwischen den Gleisen. Zum untersten Trittbrett des Wagens müssen rund 40 cm überwunden werden. Aufnahme von 1966
Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Züge mit Signalglocken angekündigt, Signale und Weichen mit Muskelkraft bedient
Heute werden die Fahrstrassen der Züge anhand der mit der Zugnummer verknüpften Zuglenkkriterien von den Computern der Fernsteuerzentralen automatisch eingestellt, solange die Fahrdienstleiter der Fernsteuerzentrale nicht bei betrieblichen Unregelmässigkeiten mit manueller Steuerung eingreifen.
Nicht so damals. Ein Zug kündigte sich mit der Signalglocke an: Wenn Rupperswil einen Zug nach Lenzburg auf die Strecke schickte, betätigte der Beamte die Signalglocke. Diese läutete dann im abfertigenden Bahnhof, im Zielbahnhof und auch bei dazwischen liegenden Stellwerken oder Barrierenwärterhäuschen. Für jede Strecke gab es eine Signalglocke, die ihren besonderen Klang hatte. Die drei Glocken beim Befehls-Stellwerk im Bahnhof Lenzburg schlugen zweitönig (Gexi) oder eintönig mit einem tieferen (Rupperswil) und einem höheren Ton (Hunzenschwil), also gling-glang, gling-glang, gling-glang oder gling-gling-gling-gling-gling-gling. Für Züge von Nord nach Süd erklang der Glockenschlag in ein einer einzelnen 6er-Serie, für Züge von Süd nach Nord in einer doppelten Serie. Diese Signalglocken hörte man natürlich auch in der Umgebung des Bahnhofs, und irgendwie brachten sie viel Romantik in den Eisenbahnbetrieb und vermittelten manchmal auch Reiselust oder Fernweh. – Im heutigen Eisenbahnbetrieb vermisst man diese wohlklingenden Töne. Der Autor hat nie verstanden, dass die SBB diese Signalglocken überall verschwinden liessen, auch in so wichtigen Touristen-Hotspots wie dem Bahnhof Luzern.

Die beiden Signalglocken beim ehemaligen Stellwerk 1 des Lenzburger Bahnhofs an der Lenzhardstrasse (die linke ist eintönig, die rechte zweitönig, d.h. sie trägt zwei Klangschalen übereinander).
Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Spätestens jetzt haben Sie bestimmt gemerkt, dass der Autor ein Hobby-Eisenbähnler ist, und das war er auch schon während seiner Schulzeit. Daher rührte auch sein Spitznamen «Gling-Glang», unter welchem er in der Lenzburger Bezirksschule bekannt war.
Werden die Signale und Weichen für die Züge heute wie von Geisterhand von den Fernsteuerzentren gestellt, war dies früher harte Muskelarbeit vor allem der Stellwerkwärter. Sie bedienten die Weichen- und Signalhebel, mit welchen mittels Drahtzügen die mechanischen Signale und meist über Gestänge die Weichen gestellt wurden.

Das alte Ausfahr-Flügelsignal Richtung Gexi beim Stellwerk 2, kurz vor seinem Ersatz durch das (noch abgedeckte) Lichtsignal im Jahre 1967.
Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Auf der Aufnahme sind die vom unteren Bildrand zum linken Bildrand verlaufenden Weichengestänge gut zu erkennen. Mit ihnen wurden vom Stellwerk aus die Weichen bedient. Nahe beim linken Bildrand (neben dem Gestänge) erkennt man auch eine Drahtführungsrolle für den Draht zum einige Hundert Meter entfernten Einfahrsignal.
Der verschwundene und wieder auferstandene Dammweg
Der Dammweg war bis 1971 ein beliebter Fussweg, der entlang dem nördlichen Fuss des Bahndamms zum Bahnhof führte. Der letzte Abschnitt im Bereich des ehemaligen Fabrikgeländes der Hero verlief zwischen einer rund 2 Meter hohen Einfriedungsmauer der Hero und dem Bahndamm (vgl. die Abbildung oben mit dem Stellwerk 2). Die Herokurve wurde für den Ausbau der Heitersberglinie nach Norden gestreckt. Auch der von 5 auf 6 Gleise ausgebaute und zusätzlich breite Perrons aufweisende neue Bahnhof reichte nun bis an die Breitfeldstrasse bzw. die angrenzenden Liegenschaften. Vorher lag auf der Nordseite des Bahnhofs ein breiter Geländestreifen mit Schrebergärten. Diese Dammverbreiterung beanspruchte das Gelände des Dammweges und bedeutete damals sein Ende.

Die Tragpfeiler für das Bahntrasse sind im Bau. Links daran anschliessend folgt später die Stützmauer, welche ins Areal des Dammweges hineinreicht. Links erkennt man die Einfriedungsmauer des Hero-Areals. Aufnahme von 1971
. Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Mit dem Bau des Quartiers «Im Lenz» auf dem ehemaligen Hero-Areal ist der Dammweg gewissermassen aus seinem «Dornröschenschlaf» erwacht. Endete der von der Schützenmatte zum Bahnhof führende Weg rund 50 Jahre lang am Aabach, führt er nun wieder bis zum Niederlenzer Kirchweg und ist auch zur Postadresse für die ihn säumenden Gebäude des Quartiers «Im Lenz» geworden.
Eine neue Brücke über die Niederlenzerstrasse
Umfangreiche Bauarbeiten löste die Ertüchtigung der Bahnanlagen für die Heitersberglinie bei der Brücke über die Niederlenzerstrasse aus. Bis zum Neubau der heutigen Brücke in den Jahren 1974/75 bestand hier nur ein sehr enger Durchlass, flankiert von den wuchtigen mit mächtigen Quadersteinen gemauerten Brückenwiderlagern. Um die neue Brücke bauen zu können, mussten die Geleise zuerst auf Hilfsbrücken abgestützt werden. Dann wurden nach Vorbereitungsarbeiten für den Abbruch die massive alte Brückenkonstruktion zerlegt und von einem Kran stückweise weggehoben.

Die Brücke über die Niederlenzerstrasse in der ersten Phase der Bauarbeiten. Blick von Norden Richtung Freiämterplatz. Aufnahme von 1974 Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Das Bild zeigt deutlich, wie schmal der alte Durchlass war. Was für eine Bauphase sehen wir auf dem Bild? Der Eisenbahn-Kran hebt die vor Beginn der Bauarbeiten eingebauten Hilfsbrückenträger vorübergehend wieder weg, damit anschliessend die Betonträger der Brücke zertrennt und abgehoben werden können. Gesperrt ist nur das Gleis mit dem Kran. Auf dem dahinter liegenden Gleis passiert ein Güterzug auf der Hilfsbrücke die Baustelle. Auf dem folgenden Bild sehen wir den Strassenkran beim Wegheben eines der abgetrennten massiven Teile der alten Brücke. Die markanten gemauerten Widerlager blieben während der weiteren Bauarbeiten stehen.

Der Strassenkran hebt eines der abgetrennten Brückenteile weg. Am linken Bildrand erkennt man dahinter die Hilfsbrücke des südlichen Gleises. Aufnahme von 1974. Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Nach dem Entfernen der alten Brückenteile wurden die Hilfsbrückenträger wieder eingebaut. In einer nächsten Phase folgte der gleiche Arbeitsvorgang für das südliche der beiden Gleise. Hierauf konnte nun die neue Betonbrücke erstellt werden, zuerst die Brückenpfeiler, dann die Brückenplatte. Erst nach ihrer Fertigstellung konnten die Hilfsbrücken ausgebaut und die Gleise ins Schotterbett auf der neuen Brücke gelegt werden. Als letzte Arbeit wurden nun die bis dahin stehen gebliebenen alten Brückenwiderlager abgebrochen. Wie eindrücklich deren Masse war, zeigt der riesige Schutthaufen auf der Fahrbahn der Niederlenzerstrasse.

Die neue Eisenbahnbrücke über die Niederlenzerstrasse. Darunter liegt der Schutthaufen des abgebrochenen südlichen Teils des östlichen Widerlagers der alten Brücke auf der Strasse; der nördliche Teil steht immer noch. Aufnahme von 1975.
Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg
Diese Ausführungen zeigen, dass dieser Brückenneubau wahrlich eine komplizierte Bauaufgabe war. Denn der Bahnverkehr musste die Baustelle während der gesamten Zeit passieren können.
Das dritte Gleis Gexi-Lenzburg
Von 2008 bis 2010 erfuhren der Lenzburger Bahndamm und der östlich daran anschliessende Bahneinschnitt eine weitere markante Veränderung: Der Damm und das Gleisplanum im Einschnitt mussten auf der Südseite verbreitert werden, um das dritte Gleis Gexi-Lenzburg aufnehmen zu können. Dieses Gleis war unerlässlich, um die Regionalzüge aus dem Freiamt parallel zu den gleichzeitig in Lenzburg durchfahrenden Intercityzügen in den bzw. aus dem Bahnhof Lenzburg führen zu können, wo sie Anschluss an den Fernverkehr vermitteln. Damit der Damm an seinem Fuss nicht noch breiter wurde, erhielt er je nach Gelände unterschiedlich hohe Stützmauern. Im Einschnitt Richtung Gexi wurde das Gleisplanum durch eine Bohrpfahlwand in der südlichen Böschung verbreitert. Die Brücke über die Niederlenzerstrasse wurde durch eine zweite Brücke in gleicher Bauweise südlich der bestehenden ergänzt. Ferner mussten die Brücke des in die Schützenmatte führenden Römerwegs und die erst gut 30 Jahre alte Strassenbrücke beim Gexi nochmals neu gebaut werden.
Da man all diese Veränderungen an Ort und Stelle besichtigen kann, werden sie hier nicht mit Fotos dokumentiert. Nun ist ja bereits wieder ein Totalumbau des Bahnhofs vorgesehen, weil die heutigen Anlagen den enorm gestiegenen Passagierzahlen in den Spitzenstunden bei weitem nicht mehr genügen. Dies wird zu gegebener Zeit Anlass für eine weitere «Zeitreise» bilden, deren Thema der alte Bahnhof und der seinerzeitige Umbau von 1971-1975 sein werden.
Titelbild: Das am 5. Dezember 1971 ausser Betrieb genommene und danach abgebrochene Stellwerk 2 beim Niveauübergang «Hero». Gut zu erkennen sind die Weichen in ablenkender Stellung beim Übergang von der Gerade in die Kurve. In der Bildmitte, zwischen dem Stellwerkhäuschen und den Geleisen, erkennt man den Dammweg, der dem Ausbau der Heitersberglinie geopfert wurde.
Quelle: Broschüre «Bahnhof Lenzburg» von SBB, CFF, FFS, ohne Datum (ca. 1975)
Über
We Love Lenzburg macht jeden Monat eine Reise ins vergangene Lenzburg.
Christoph Moser, 75, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.

