Zeitreise

Umwälzungen in der Lenzburger Bankenwelt

Aufstieg und Fall der Schweizerischen Kreditanstalt.

Von Christoph Moser

Lange war die 1868 gegründete Hypothekarbank Lenzburg die einzige Bank in Lenzburg. Wollten sie nicht den Weg nach Aarau unter die Füsse bzw. Räder nehmen, gab es somit für die Lenzburger:innen eine einzige Bank, bei der sie am Schalter Geld einzahlen oder beziehen und weitere Bankgeschäfte abwickeln konnten. Das war umso bedeutsamer, als es damals noch kein E-Banking oder anderweitige internetgestützte Möglichkeiten gab, um mit einer Bank zu verkehren.

Bild: Die Filiale der Schweizerischen Volksbank am Freischarenplatz, aufgenommen um 1947. Quelle: Hektor Ammann, Reinhard Bosch u.a., Bezirke Lenzburg und Kulm, Heimatgeschichte und Wirtschaft, Zürich, 1947, Seite 134

Die Schweizerische Volksbank als erste Konkurrentin am Platze


Das änderte sich erst 1930, als die Schweizerische Volksbank im Gebäude Aavorstadt 1 an der Stelle, wo sich vorher die Kolonialwarenhandlung der Geschwister Fischer befand, ihre Lenzburger Niederlassung eröffnete. Diese Filiale blieb allerdings so lange sie existierte recht klein und war keine gewichtige Konkurrenz für den Platzhirsch Hypothekarbank Lenzburg. Die Schweizerische Volksbank wurde 1993 von der Schweizerischen Kreditanstalt übernommen. Ihre Aargauer Filialen wurden 1996 mit der Neuen Aargauer Bank (NAB) vereinigt. Die Volksbank-Filiale am Freischarenplatz wurde 1996 geschlossen (Näheres zur NAB siehe unten im Kapitel Grosser Wandel in der Bankenwelt).

Die SKA als erste Grossbank-Niederlassung in Lenzburg


Eine gewichtigere Konkurrentin erhielt die Hypothekarbank Lenzburg am 1. Februar 1973. Damals eröffnete die Schweizerische Kreditanstalt an der Bahnhofstrasse 29 ihre Lenzburger Niederlassung. Sie baute die Liegenschaft des Fotografen J. Schnurrenberger für ihre Zwecke um.

Bild: Die 1928 erbaute Liegenschaft des Fotoateliers Schnurrenberger um 1947. Quelle: Ammann/Bosch, Bezirke Lenzburg und Kulm, Seite 170

In dieser für Lenzburg neuen Grossbankfiliale war ein sehr agiler Banker tätig, dem vermutlich nicht wenige auf den Leim krochen; denn bald las man in der Presse von Unregelmässigkeiten. Der Jahreschronik 1975/76 der Lenzburger Neujahrsblätter 1977 entnehmen wir auf Seite 78 Folgendes: «Wie die Lenzburger Filialleitung der SKA mitteilt, ist seit einiger Zeit ein Prokurist verschwunden, der 200’000 Franken verspekuliert haben soll. Wenig später wird er von der Polizei verhaftet.» Der eine oder andere auf hohe Rendite erpichte Lenzburger dürfte hier einen Schuh voll herausgezogen haben, was seine Mitbürger mit Schadenfreude zur Kenntnis nahmen. Die Hypothekarbank Lenzburg ihrerseits hatte nun natürlich eine potente Konkurrentin am Platze. Trotz der Episode mit dem unseriösen Banker entwickelten sich die Geschäfte der SKA in den folgenden Jahren so gut, dass man schon bald nach einem grösseren Bankgebäude Umschau halten musste.
Die Filiale der Schweizerischen Kreditanstalt an der Bahnhofstrasse 29, Aufnahme von 1990. Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg, IDI-155

Die Schweizerische Kreditanstalt zügelt zum Bahnhof


Im Frühjahr 1987 erwarb die SKA das Restaurant Bahnhof. Dieses hatte nach dem frühen Tod des letzten Wirts aus der langjährigen Wirte-Familie Kieser eine schwierige Zeit mit wechselnden Eigentümern und einem Konkursverfahren durchlebt. Das Restaurant wurde nach dem Erwerb durch die SKA vorerst noch von einem Pächter weiterbetrieben. 1989 wurde das Gebäude abgebrochen. An seiner Stelle entstand das neue grosszügige Bankgebäude der SKA.

Bild: Das Restaurant Bahnhof vor seinem Abbruch, 1989. Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg, IHG-198

Die Schweizerische Kreditanstalt konnte ihren Neubau beim Bahnhof am 14. Januar 1991 eröffnen. Ihr bisher genutztes Gebäude an der Bahnhofstrasse wirkt im Vergleich zum architektonisch gut gestalteten Neubau recht bescheiden. Es wird seither vom Elektronikgeschäft Viva TV Sport GmbH von Elio Vallone genutzt.

Grosser Wandel in der Bankenwelt, die SKA-Filiale wird zur Filiale der Neuen Aargauer Bank


Die Schweizerische Kreditanstalt hatte sich erst wenige Jahre im Neubau eingelebt, da traten grosse Veränderungen in der Schweizerischen und der Aargauischen Bankenwelt ein. 1993 wurde die kriselnde Schweizerische Volksbank von der SKA übernommen. 1995 übernahm die SKA teilweise die Neue Aargauer Bank. Diese war 1989 aus dem Zusammenschluss der Allgemeinen Aargauischen Ersparniskasse, Aarau, und der Aargauischen Hypotheken- und Handelsbank, Brugg, hervorgegangen. 1996 integrierte die SKA die Geschäftsstellen der Schweizerischen Volksbank und einige ihrer eigenen Filialen, darunter Lenzburg, in die Neue Aargauer Bank. Am Lenzburger SKA-Sitz prangten daher ab 1996 Signet und Anschrift der Neuen Aargauer Bank. Die Filiale der Schweizerischen Volksbank am Freischarenplatz wurde damals geschlossen.

Die Neue Aargauer Bank geht in der Crédit Suisse auf


1997 legte die Schweizerische Kreditanstalt ihren angestammten Namen ab und trat fortan als Crédit Suisse Group AG auf. 2010 übernahm die Crédit Suisse das restliche Aktienkapital der Neuen Aargauer Bank, die nun eine hundertprozentige Tochter der Crédit Suisse war. Es wurde indessen betont, dass die Bank trotzdem als selbständige Bank weitergeführt werde.
Diese «Selbständigkeit» währte nur zehn Jahre. Ende November 2020 wurde die Neue Aargauer Bank in die Crédit Suisse integriert. Dies führte bei der Kundschaft der NAB und in der Politik teils zu heftiger Kritik. Abermals änderten damit die Anschriften am Bankgebäude. Hatte die Nordfront (zum Bahnhof hin) bisher ein grosses Signet der NAB getragen, schmückte fortan der Schriftzug CREDITSUISSE mit anschliessendem Segel-Symbol diese Fassade. War das Segel wohl ein unbewusster Hinweis auf den weiteren unheilvollen Kurs des Schiffes Crédit Suisse im stürmischen Meer der Finanz-Haie?
Bild: Niederlassung der Crédit Suisse, Aufnahme von 2022. Quelle: Roland Zumbühl, picswiss.ch

Die Crédit Suisse wird von der UBS übernommen


Uns sind die nun folgenden dramatischen Ereignisse noch in lebhafter Erinnerung. Im Laufe der letzten Jahre «glänzte» die Crédit Suisse immer wieder mit Skandalnachrichten, die zu riesigen Verlusten und vor allem zum Schwinden des Vertrauens der Anleger in die Bank führten, so z.B. die Misere mit den Greensill-Fonds oder der Skandal um den Archegos-Hedgefonds. Im März 2023 nahmen die Kapitalabflüsse ein derart dramatisches Ausmass an und sank der Aktienkurs auf ein absolutes Tief, so dass unter Einbezug des Bundesrates eine Notfalloperation durchgeführt werden musste, um den an den Finanzmärkten befürchteten Kollaps zu vermeiden: Die UBS übernahm die Crédit Suisse. Seither wird zielstrebig an dieser mit grossen Umtrieben verbundenen Integration der aufgelösten zweiten schweizerischen Grossbank in die verbliebene einzige Schweizer Grossbank UBS gearbeitet. Dies führt neben dem Abbau von Personal auch zu einer Schliessung zahlreicher Bankfilialen in jenen Ortschaften, in denen beide Banken mit einer Filiale vertreten sind.
In Lenzburg wird nicht die bisher von der Crédit Suisse genutzte Niederlassung geschlossen, sondern jene der UBS im Müli-Märt. Bald werden daher an der Nordfassade des bisherigen CS-Gebäudes Signet und Anschrift der UBS prangen.
Bild: Die UBS-Filiale beim Müli-Märt, Aufnahme von 2022. Quelle: Roland Zumbühl, picswiss.ch

Bald wird die 1856 von Alfred Escher als Schweizerische Kreditanstalt gegründete Crédit Suisse endgültig aus unserem Alltag verschwunden und damit Geschichte sein. Mit dieser wechselvollen Geschichte bestätigt sich wieder einmal ein altes Paradox: Das einzig Beständige ist der Wandel.
Titelbild: Der Neubau der SKA beim Bahnhof nach der Eröffnung 1991 mit der Anschrift «SKA Kreditanstalt» Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg, IDI-157