Generationen von Lenzburger Schüler:innen sind mit den Bildern Werner Büchlys [Wie seine verwandten Lenzburger Bürger war auch er als Büchli in unseren Registern eingetragen. Er hat indes seine Bilder und seine Korrespondenz stets mit Büchly signiert, und so schreiben auch wir seinen Namen mit y.] aufgewachsen, die das 1903 eingeweihte Angelrainschulhaus zieren: Aussen die vier grossen Sgraffiti an der Westfassade.Sie verherrlichen Tell, Winkelried, Zwingli und Pestalozzi. Im Innern des Schulhauses werden im Korridor des 3. Oberge-schosses mit farbenprächtigen Wandbildern die Wissenschaft und im Singsaal Musik, Natur und Freiheit dargestellt. Ideale, die den Schülern Vorbild sein sollen.
Die Menschen und Landschaften in den Bildern Büchlys sind wohlgeformt und führen uns eine ideale Welt vor Augen, die mit der Wirklichkeit, in der der Künstler und seine Generation lebten, teilweise wohl in argem Widerspruch steht. Denn der Alltag vieler Menschen war damals geprägt von Armut, Entbeh-rungen und langen Arbeitstagen. Die fortschreitende Industrialisierung und die Ausdehnung der Siedlungen nahmen vielerorts wenig Rücksicht auf bislang unversehrte Landschaften. Kriegerische Ereignisse wühlten Europa auf. Aber dieser Widerspruch war gewollt: Die Bilder sollten die Schüler auf die Lebens-ideale hinweisen.
Nach seiner Ausbildung zur Malerei in Deutschland war Büchly zehn Jahre lang an der Universität Basel als Zeichner anatomischer Präparate tätig. Der be-rühmte Anatomieprofessor J. Kollmann, Herausgeber des Werkes «Plastische Anatomie für Künstler», schätzte die Mitarbeit Büchlys mit folgenden Worten: »Ich betrachte es als ein besonderes Glück, dass Herr Werner Büchli mir seine unermüdliche Kraft und seine geschickte Hand geliehen hat. Dem Künstler den wärmsten Dank für viele harte Wochen, die er mit mir, voll Aufopferung, zuge-bracht hat an der Leiche und am Zeichenpult.»
Dies zeigt uns mit aller Deutlichkeit, woher die Meisterschaft Büchlys in der Wiedergabe der seine Bilder belebenden Menschen rührt. Von seinem Können zeugen auch die vielen Aufträge für die Ausschmückung öffentlicher Gebäude. Seinen Arbeiten am Angelrainschulhaus in Lenzburg folgten u.a. Aufträge für Sgraffiti, Wandmalereien usw. am Seetalschulhaus Rupperswil, am Pestalozzi-Denkmal in Birr, an der Turnhalle Oberentfelden, in der alten Kantonsschule in Aarau, im Krematorium Aarau und in der Kirche Othmarsingen. Beim Wettbe-werb für die Ausschmückung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich landete er in den vordersten Rängen, wobei als Sieger der damals schon weit herum berühmte, rund zwanzig Jahre ältere Ferdinand Hodler hervorging.
Viele Künstler haben einen Kreis von Freunden und Bewunderern. So schmücken Aquarelle und Ölbilder mehrerer in Lenzburg wirkender Maler, wie z.B. Peter Mieg, Wilhelm Dietschi oder François Guinand zahlreiche private Haushalte und hängen auch in öffentlichen Gebäuden. Werner Büchly ist dagegen neben seinen monumentalen Wandgemälden und Sgraffiti kaum präsent. Er lebte nach seinen Studienjahren in Deutschland in den ersten Jahren als Wochenauf-enthalter in Basel, war im Übrigen aber bis zu seinem Tode am 11. Dezember 1942, im Haus «Parzival» an der Seonerstrasse in Lenzburg wohnhaft, das ihm und seinem Bruder Karl gehörte. Hier hatte er auch sein Atelier. Er blieb Zeit seines Lebens ledig und lebte offenbar zurückgezogen. Hatte er in den 1920er-Jahren noch den einen oder anderen Auftrag für die Öffentlichkeit – so bei-spielsweise für die Wandgemälde in der Abdankungshalle des Friedhofs Rosengarten (mit dem Abbruch des Gebäudes im Jahre 1974 verschwunden) – werden Zeugnisse seines Könnens in den Folgejahren spärlicher.
Fehlenden öffentlichen Aufträgen ist wohl die fantastische Wandmalerei zu ver-danken, mit der Büchly das Betriebsgebäude der Weinhandlung seines Bruders Louis Büchli verziert hat. Da schadhaft, wurde das Gemälde ca. 1948/49 über-malt. Das Gebäude ist 2004 ebenfalls abgerissen worden.
Ebenso suchen wir heute vergeblich nach dem Wandgemälde des Parzival, das den Giebel des vom Künstler bewohnten Hauses an der Seonerstrasse zierte. Diese Liegenschaft ist 1974 der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Dazu ein Zitat aus dem Nachruf von Edward Attenhofer in den Lenzburger Neujahrsblättern 1944, S. 88: «Es will uns scheinen, als ob sich Büchli in seinem Parzival das Symbol seines künstlerischen Strebens und seiner Grenzen geschaffen habe. Auf einem prächtigen Schimmel sitzt Parzival und schaut unverwandten Blickes in die Ferne, wo «unnahbar unsern Schritten» in fahlem Lichte die Gralsburg auf hohem Berge thront. Das Pferd hat sich, wie geblendet von der Erschei¬nung, auf die hintern Beine fallen lassen und setzt zum Sprunge an. Wann wird es dem Ritter gelingen, das Ziel zu erreichen?»
Aus der Chronik der Lenzburger Neujahrsblätter 1944 erfahren wir, dass der Nachlass von Werner Büchly vom 13. bis 19. März 1943 im alten Bezirksschulhaus (heute KV-Schulhaus bzw. Hünerwadelhaus in der Aavorstadt) ausgestellt war. Wer wollte, konnte wohlfeil Skizzen usw. erwerben. Und so kam es, dass der Nachlass «in alle Winde zerstreut» wurde, weil sich niemand um dessen Sicherung und Verwahrung kümmerte. Immerhin ist ein grosser Teil seines künstlerischen Schmuckes an Bauten erhalten geblieben.
Von den Sgraffiti an der Westfassade des Angelrainschulhauses führt uns ein Spaziergang über den Schulhausweg an die Poststrasse. Dort finden wir an der Liegenschaft ehemals Dr. Hämmerli an der Ecke Torgasse/Poststrasse den «Fahnenträger».
Gehen wir weiter von der Poststrasse via die Überdeckung der Kernumfahrung, durch den ehemaligen Seetalbahn-Tunnel und die Werkhofstrasse an die Säge-strasse. Dort steht das Turmhaus. An dessen Ostfassade prangt der «Krieger» von Werner Büchly. Lohnend ist auch ein etwas weiterer Spaziergang am Gexi vorbei nach Othmarsingen. Dort können wir in der Kirche Büchlys biblische Figuren bewundern. Und wenn wir schon in Othmarsingen sind, sollten wir von der Kirche her einige Schritte nordwärts zur Lenzburgerstrasse gehen, zum Geburtshaus der Mundartdichterin Sophie Haemmerli-Marti, 1868 – 1942. Sie war eine Zeitgenossin des Malers Büchly. Als weltoffene, sozial enga¬gierte und kontaktfreudige, in ihrem Werk auf die Menschen zugehende Dichte¬rin war sie das Gegenteil des zurückgezogen seinen Idealen frönenden Werner Büchly. Gemeinsam ist beiden die Formvollendung in ihrer Kunst und das Engagement für die Herausforderungen und Schönheiten unse¬rer Welt.
Führungen zu den Wandgemälden im Angelrainschulhaus
Wer sich für die Wandgemälde im Angelrainschulhaus interessiert, kann sie bei einer Führung im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals am Samstag, 11. September 2021, 13 Uhr und 15 Uhr, kostenlos besichtigen. Anmeldung an Telefon 062 891 66 70 oder E-Mail museum.burghalde@lenzburg.ch unerlässlich.
Werner Büchly, 1871 – 1942, Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 1944
Werner Büchly – ein Meister der Darstellung der Lebensideale
Die Menschen und Landschaften in den Bildern Büchlys sind wohlgeformt und führen uns eine ideale Welt vor Augen, die mit der Wirklichkeit, in der der Künstler und seine Generation lebten, teilweise wohl in argem Widerspruch steht. Denn der Alltag vieler Menschen war damals geprägt von Armut, Entbeh-rungen und langen Arbeitstagen. Die fortschreitende Industrialisierung und die Ausdehnung der Siedlungen nahmen vielerorts wenig Rücksicht auf bislang unversehrte Landschaften. Kriegerische Ereignisse wühlten Europa auf. Aber dieser Widerspruch war gewollt: Die Bilder sollten die Schüler auf die Lebens-ideale hinweisen.
Nach seiner Ausbildung zur Malerei in Deutschland war Büchly zehn Jahre lang an der Universität Basel als Zeichner anatomischer Präparate tätig. Der be-rühmte Anatomieprofessor J. Kollmann, Herausgeber des Werkes «Plastische Anatomie für Künstler», schätzte die Mitarbeit Büchlys mit folgenden Worten: »Ich betrachte es als ein besonderes Glück, dass Herr Werner Büchli mir seine unermüdliche Kraft und seine geschickte Hand geliehen hat. Dem Künstler den wärmsten Dank für viele harte Wochen, die er mit mir, voll Aufopferung, zuge-bracht hat an der Leiche und am Zeichenpult.»
Die vier Sgraffiti an der Westfassade des Angelrainschulhauses. Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 1944
Dies zeigt uns mit aller Deutlichkeit, woher die Meisterschaft Büchlys in der Wiedergabe der seine Bilder belebenden Menschen rührt. Von seinem Können zeugen auch die vielen Aufträge für die Ausschmückung öffentlicher Gebäude. Seinen Arbeiten am Angelrainschulhaus in Lenzburg folgten u.a. Aufträge für Sgraffiti, Wandmalereien usw. am Seetalschulhaus Rupperswil, am Pestalozzi-Denkmal in Birr, an der Turnhalle Oberentfelden, in der alten Kantonsschule in Aarau, im Krematorium Aarau und in der Kirche Othmarsingen. Beim Wettbe-werb für die Ausschmückung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich landete er in den vordersten Rängen, wobei als Sieger der damals schon weit herum berühmte, rund zwanzig Jahre ältere Ferdinand Hodler hervorging.
Ein Künstler ohne Entourage
Viele Künstler haben einen Kreis von Freunden und Bewunderern. So schmücken Aquarelle und Ölbilder mehrerer in Lenzburg wirkender Maler, wie z.B. Peter Mieg, Wilhelm Dietschi oder François Guinand zahlreiche private Haushalte und hängen auch in öffentlichen Gebäuden. Werner Büchly ist dagegen neben seinen monumentalen Wandgemälden und Sgraffiti kaum präsent. Er lebte nach seinen Studienjahren in Deutschland in den ersten Jahren als Wochenauf-enthalter in Basel, war im Übrigen aber bis zu seinem Tode am 11. Dezember 1942, im Haus «Parzival» an der Seonerstrasse in Lenzburg wohnhaft, das ihm und seinem Bruder Karl gehörte. Hier hatte er auch sein Atelier. Er blieb Zeit seines Lebens ledig und lebte offenbar zurückgezogen. Hatte er in den 1920er-Jahren noch den einen oder anderen Auftrag für die Öffentlichkeit – so bei-spielsweise für die Wandgemälde in der Abdankungshalle des Friedhofs Rosengarten (mit dem Abbruch des Gebäudes im Jahre 1974 verschwunden) – werden Zeugnisse seines Könnens in den Folgejahren spärlicher.
Fehlenden öffentlichen Aufträgen ist wohl die fantastische Wandmalerei zu ver-danken, mit der Büchly das Betriebsgebäude der Weinhandlung seines Bruders Louis Büchli verziert hat. Da schadhaft, wurde das Gemälde ca. 1948/49 über-malt. Das Gebäude ist 2004 ebenfalls abgerissen worden.
Wandgemälde einer Szene mit dem Weingott Bacchus am Betriebsgebäude der Weinhandlung Büchli an der Seonerstrasse. Quelle: Foto im Privatbesitz
Ebenso suchen wir heute vergeblich nach dem Wandgemälde des Parzival, das den Giebel des vom Künstler bewohnten Hauses an der Seonerstrasse zierte. Diese Liegenschaft ist 1974 der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Dazu ein Zitat aus dem Nachruf von Edward Attenhofer in den Lenzburger Neujahrsblättern 1944, S. 88: «Es will uns scheinen, als ob sich Büchli in seinem Parzival das Symbol seines künstlerischen Strebens und seiner Grenzen geschaffen habe. Auf einem prächtigen Schimmel sitzt Parzival und schaut unverwandten Blickes in die Ferne, wo «unnahbar unsern Schritten» in fahlem Lichte die Gralsburg auf hohem Berge thront. Das Pferd hat sich, wie geblendet von der Erschei¬nung, auf die hintern Beine fallen lassen und setzt zum Sprunge an. Wann wird es dem Ritter gelingen, das Ziel zu erreichen?»
Parzival im Dachgiebel des 1974 abgebrochenen Hauses Parzival an der Seonerstrasse
Quelle: Museum Burghalde, Fotosammlung Nussbaum
Aus der Chronik der Lenzburger Neujahrsblätter 1944 erfahren wir, dass der Nachlass von Werner Büchly vom 13. bis 19. März 1943 im alten Bezirksschulhaus (heute KV-Schulhaus bzw. Hünerwadelhaus in der Aavorstadt) ausgestellt war. Wer wollte, konnte wohlfeil Skizzen usw. erwerben. Und so kam es, dass der Nachlass «in alle Winde zerstreut» wurde, weil sich niemand um dessen Sicherung und Verwahrung kümmerte. Immerhin ist ein grosser Teil seines künstlerischen Schmuckes an Bauten erhalten geblieben.
Auf den Spuren Büchlys durch Lenzburg und in die Umgebung
Von den Sgraffiti an der Westfassade des Angelrainschulhauses führt uns ein Spaziergang über den Schulhausweg an die Poststrasse. Dort finden wir an der Liegenschaft ehemals Dr. Hämmerli an der Ecke Torgasse/Poststrasse den «Fahnenträger».
Fahnenträger am Eckhaus Torgasse/Poststrasse. Quelle: Foto CM
Gehen wir weiter von der Poststrasse via die Überdeckung der Kernumfahrung, durch den ehemaligen Seetalbahn-Tunnel und die Werkhofstrasse an die Säge-strasse. Dort steht das Turmhaus. An dessen Ostfassade prangt der «Krieger» von Werner Büchly. Lohnend ist auch ein etwas weiterer Spaziergang am Gexi vorbei nach Othmarsingen. Dort können wir in der Kirche Büchlys biblische Figuren bewundern. Und wenn wir schon in Othmarsingen sind, sollten wir von der Kirche her einige Schritte nordwärts zur Lenzburgerstrasse gehen, zum Geburtshaus der Mundartdichterin Sophie Haemmerli-Marti, 1868 – 1942. Sie war eine Zeitgenossin des Malers Büchly. Als weltoffene, sozial enga¬gierte und kontaktfreudige, in ihrem Werk auf die Menschen zugehende Dichte¬rin war sie das Gegenteil des zurückgezogen seinen Idealen frönenden Werner Büchly. Gemeinsam ist beiden die Formvollendung in ihrer Kunst und das Engagement für die Herausforderungen und Schönheiten unse¬rer Welt.
Führungen zu den Wandgemälden im Angelrainschulhaus
Wer sich für die Wandgemälde im Angelrainschulhaus interessiert, kann sie bei einer Führung im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals am Samstag, 11. September 2021, 13 Uhr und 15 Uhr, kostenlos besichtigen. Anmeldung an Telefon 062 891 66 70 oder E-Mail museum.burghalde@lenzburg.ch unerlässlich.
Über
We Love Lenzburg macht jeden Monat eine Reise ins vergangene Lenzburg.
Christoph Moser, 73, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.