Bis nach dem zweiten Weltkrieg war die Burghaldenstrasse eine weitgehend von bäuerlichen Anwesen gesäumte Strasse. Von hier aus wurde die weit ausgedehnte Landschaft im Süden des Städtchens bewirtschaftet, die sich bis zum Bergwald erstreckte und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend frei von Bauten war.
In der letzten Zeitreise haben wir uns mit der Urzelle der Lenzburger Landwirtschaft befasst, die in den Scheunen entlang der alten Stadtmauern angesiedelt war. Noch 1624 beschränkte sich die Siedlung des Städtchens – abgesehen von den Mühlen am Aabach – auf den kleinen Stadtkern innerhalb der Mauern (Ansicht von Josef Plepp, in der letzten Zeitreise abgebildet). 1628 wurde mit der alten Burghalde im Gebiet der oberen Burghalde ein erstes markantes Gebäude ausserhalb der Stadtmauer errichtet. Dem Wohnhaus gliederte sich eine mächtige Scheune an (heute Museum Burghalde). Waren ursprünglich die meisten innerhalb des Stadtmauerrings wohnenden Bürger neben anderen Tätigkeiten gleichzeitig als Bauern tätig, so ergab sich ab dem 17. Jahrhundert zusehends eine Aufteilung in Kaufleute, Handwerker und Bauern. Dementsprechend wurden ausserhalb der Stadtmauern bäuerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichtet. Schon bald nach der Burghalde folgten an der Burghaldenstrasse weitere Bauten. Auf einem Plan von 1795 sehen wir viele einzelne Häuser an der Burghaldenstrasse, welche rechts des Stadtkerns Richtung Schloss führt.
Wohl zu den ältesten Bauten zählten die beiden sog. Hochstudhäuser, das Strohdachhaus Bolliger vis-à-vis des heutigen Seifi-Parkplatzes, und das Strohdachhaus des Spanners Kieser an der Abzweigung des Stadtgässlis (ca. 1860 ersetzt durch den Neubau der Schreinerei Hächler, der seinerseits heute dem Abbruch geweiht ist). Sie werden sich sicher fragen, was ein Spanner ist: Das war ein Fuhrhalter, der Pferde für den Vorspann an Fuhrwerken hielt. Die starken Steigungen in der Umgebung von Lenzburg (z.B. Bleicherain) machten es notwendig, bei schweren Lasten zusätzliche Pferde vor fremde Fuhrwerke zu spannen.
Das letzte Strohdachhaus, das sogenannte Dreisässenhaus Bolliger (aufgeteilt in die drei Teile Wohnen, Tenne und Stall unter dem gleichen Dach) wurde im April 1963 abgebrochen. Es erhob sich dort, wo heute das Mehrfamilienhaus Burghaldenstrasse 52/54 steht.
Die westlich vom Strohdachhaus gelegenen landwirtschaftlichen Anwesen wurden in den 1980er-Jahren abgebrochen und durch das Mehrfamilienhaus Burghaldenstrasse 46/48 ersetzt.
Eine ganze Häuserzeile (siehe Titelbild) auf dem heutigen Ochsen-Parkplatz fiel am 15. Oktober 1961 einem Grossbrand zum Opfer. Ihre Überreste wurden abgerissen.
Der unterste Teil der Burghaldenstrasse hiess ursprünglich Ziegelrain. Dies in Anlehnung an die mittelalterliche Ziegelbrennerei, die sich auf dem nordöstlich davon gelegenen Ziegelacker befand. An diesem untersten Abschnitt stand bis zu ihrem Abbruch 1976 die Schmitte an der Burghalde. Hier wurden die heute in der Landwirtschaft wie im Transportwesen durch Motoren-PS (Pferdestärken) ersetzten, damals in grosser Zahl gehaltenen Pferde mit geschmiedeten Hufeisen beschlagen.
Wie wir dem Marktreglement der Gemeinde Lenzburg vom 4. August 1888 entnehmen können, fand damals auf der Burghaldenstrasse monatlich ein Viehmarkt statt. Weil dies den Verkehr auf der Ortsverbindungsstrasse nach Ammerswil behinderte, forderte die Regierung des Kantons Aargau den Stadtrat Lenzburg 1896 auf, diesen Missstand zu beheben. 1897 wurde der Viehmarkt dorthin verlegt, wo heute die ortsbürgerliche Überbauung «Viehmarktareal» an der Martha Ringier-Strasse 2 bis 10 steht. Zur Erinnerung an den Viehmarkt ist 2012 der hier errichtete Viehmarktbrunnen eingeweiht worden.
An markanter Stelle, wo die Steigung der Burghaldenstrasse in die Ebene übergeht, wurde 1910/11 für den Kaufmann Otto Bertschinger, Stadtammann von 1922 bis 1932, in neobarockem Stil die markante Villa Burghaldenstrasse 10 errichtet, welche diesen Strassenabschnitt dominiert. Ihre Strassenfront ist mit Sandsteinreliefs des Lenzburger Bildhauers Arnold Hünerwadel geschmückt. Ihr Bau war der erste Schritt der Wandlung von der «Bauern- zur Wohnmeile». Nach 1950 und dann vor allem in den letzten Jahrzehnten folgten vorwiegend auf der Südseite der Strasse Wohnbauten, die weiter oben im Text teilweise bereits erwähnt sind.
Die Burghalde war früher das eigentliche Zentrum der Lenzburger Landwirtschaft. Hier standen in grosser Zahl bäuerliche Anwesen. Abgerundet wurde diese bäuerliche Welt durch zwei Schmitten (eine davon im Ziegelacker), Viehmärkte und den Gasthof «Ochsen» mit Metzgerei, in welchem man mit einem Glas auf den erfolgreichen Viehhandel anstossen konnte. Abgesehen vom Viehmarktbrunnen mit Schrifttafel, welche auf die Vergangenheit hinweist, fehlt heute an der Burghaldenstrasse jede Spur von Landwirtschaft. Das Gebiet hat sich zu einer bevorzugten Wohnlage entwickelt.
Die Landwirtschaft bricht aus den Mauern aus
In der letzten Zeitreise haben wir uns mit der Urzelle der Lenzburger Landwirtschaft befasst, die in den Scheunen entlang der alten Stadtmauern angesiedelt war. Noch 1624 beschränkte sich die Siedlung des Städtchens – abgesehen von den Mühlen am Aabach – auf den kleinen Stadtkern innerhalb der Mauern (Ansicht von Josef Plepp, in der letzten Zeitreise abgebildet). 1628 wurde mit der alten Burghalde im Gebiet der oberen Burghalde ein erstes markantes Gebäude ausserhalb der Stadtmauer errichtet. Dem Wohnhaus gliederte sich eine mächtige Scheune an (heute Museum Burghalde). Waren ursprünglich die meisten innerhalb des Stadtmauerrings wohnenden Bürger neben anderen Tätigkeiten gleichzeitig als Bauern tätig, so ergab sich ab dem 17. Jahrhundert zusehends eine Aufteilung in Kaufleute, Handwerker und Bauern. Dementsprechend wurden ausserhalb der Stadtmauern bäuerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichtet. Schon bald nach der Burghalde folgten an der Burghaldenstrasse weitere Bauten. Auf einem Plan von 1795 sehen wir viele einzelne Häuser an der Burghaldenstrasse, welche rechts des Stadtkerns Richtung Schloss führt.

«Plan, Das Burgeren-Ziehl der Stadt Lenzburg» mit projektierter Erweiterung
Quelle: Alte Ansichten von Lenzburg, herausgegeben von der Ortsbürgerkommission und der Stiftung Museum Burghalde, AT-Verlag Aarau 1992, Seite 55
Früher gab es an der Burghaldenstrasse zwei Strohdachhäuser, sog. Hochstudhäuser
Wohl zu den ältesten Bauten zählten die beiden sog. Hochstudhäuser, das Strohdachhaus Bolliger vis-à-vis des heutigen Seifi-Parkplatzes, und das Strohdachhaus des Spanners Kieser an der Abzweigung des Stadtgässlis (ca. 1860 ersetzt durch den Neubau der Schreinerei Hächler, der seinerseits heute dem Abbruch geweiht ist). Sie werden sich sicher fragen, was ein Spanner ist: Das war ein Fuhrhalter, der Pferde für den Vorspann an Fuhrwerken hielt. Die starken Steigungen in der Umgebung von Lenzburg (z.B. Bleicherain) machten es notwendig, bei schweren Lasten zusätzliche Pferde vor fremde Fuhrwerke zu spannen.
Das letzte Strohdachhaus, das sogenannte Dreisässenhaus Bolliger (aufgeteilt in die drei Teile Wohnen, Tenne und Stall unter dem gleichen Dach) wurde im April 1963 abgebrochen. Es erhob sich dort, wo heute das Mehrfamilienhaus Burghaldenstrasse 52/54 steht.
Das 1963 abgebrochene Strohdachhaus Bolliger im Jahre 1944; man beachte die damaligen Fuhrwerke und Gerätschaften.
Quelle: Fotoband Liebes altes Lenzburg, S. 78/79
Die westlich vom Strohdachhaus gelegenen landwirtschaftlichen Anwesen wurden in den 1980er-Jahren abgebrochen und durch das Mehrfamilienhaus Burghaldenstrasse 46/48 ersetzt.
Grossbrand vis-à-vis des «Ochsen»
Eine ganze Häuserzeile (siehe Titelbild) auf dem heutigen Ochsen-Parkplatz fiel am 15. Oktober 1961 einem Grossbrand zum Opfer. Ihre Überreste wurden abgerissen.
Die Schmitte am ehemaligen Ziegelrain
Der unterste Teil der Burghaldenstrasse hiess ursprünglich Ziegelrain. Dies in Anlehnung an die mittelalterliche Ziegelbrennerei, die sich auf dem nordöstlich davon gelegenen Ziegelacker befand. An diesem untersten Abschnitt stand bis zu ihrem Abbruch 1976 die Schmitte an der Burghalde. Hier wurden die heute in der Landwirtschaft wie im Transportwesen durch Motoren-PS (Pferdestärken) ersetzten, damals in grosser Zahl gehaltenen Pferde mit geschmiedeten Hufeisen beschlagen.
Die im Dezember 1976 abgebrochene Schmitte an der Burghaldenstrasse (heute Parkplatz Burghalde).
Quelle: Liebes altes Lenzburg, S. 75
Viehmarkt auf der Burghaldenstrasse
Wie wir dem Marktreglement der Gemeinde Lenzburg vom 4. August 1888 entnehmen können, fand damals auf der Burghaldenstrasse monatlich ein Viehmarkt statt. Weil dies den Verkehr auf der Ortsverbindungsstrasse nach Ammerswil behinderte, forderte die Regierung des Kantons Aargau den Stadtrat Lenzburg 1896 auf, diesen Missstand zu beheben. 1897 wurde der Viehmarkt dorthin verlegt, wo heute die ortsbürgerliche Überbauung «Viehmarktareal» an der Martha Ringier-Strasse 2 bis 10 steht. Zur Erinnerung an den Viehmarkt ist 2012 der hier errichtete Viehmarktbrunnen eingeweiht worden.
Die Villa Burghaldenstrasse 10 leitet die Umwandlung in ein Wohngebiet ein
An markanter Stelle, wo die Steigung der Burghaldenstrasse in die Ebene übergeht, wurde 1910/11 für den Kaufmann Otto Bertschinger, Stadtammann von 1922 bis 1932, in neobarockem Stil die markante Villa Burghaldenstrasse 10 errichtet, welche diesen Strassenabschnitt dominiert. Ihre Strassenfront ist mit Sandsteinreliefs des Lenzburger Bildhauers Arnold Hünerwadel geschmückt. Ihr Bau war der erste Schritt der Wandlung von der «Bauern- zur Wohnmeile». Nach 1950 und dann vor allem in den letzten Jahrzehnten folgten vorwiegend auf der Südseite der Strasse Wohnbauten, die weiter oben im Text teilweise bereits erwähnt sind.
Die Burghalde war früher das eigentliche Zentrum der Lenzburger Landwirtschaft. Hier standen in grosser Zahl bäuerliche Anwesen. Abgerundet wurde diese bäuerliche Welt durch zwei Schmitten (eine davon im Ziegelacker), Viehmärkte und den Gasthof «Ochsen» mit Metzgerei, in welchem man mit einem Glas auf den erfolgreichen Viehhandel anstossen konnte. Abgesehen vom Viehmarktbrunnen mit Schrifttafel, welche auf die Vergangenheit hinweist, fehlt heute an der Burghaldenstrasse jede Spur von Landwirtschaft. Das Gebiet hat sich zu einer bevorzugten Wohnlage entwickelt.
Titelbild: Die 1961 abgebrannten Gebäude auf dem heutigen Ochsen-Parkplatz.
Quelle: Liebes altes Lenzburg, S.74
Quelle: Liebes altes Lenzburg, S.74
Über
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Christoph Moser, 73, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.