Die Gründer- bzw. Eigentümerfamilien prägen das Unternehmen bis in die 1960er-Jahre
Obwohl die Hero bereits 1898 von der Kollektivgesellschaft Henckell & Roth in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, dominierten die Gründer- bzw. Eigentümerfamilien das Unternehmen bis in die 1960er-Jahre. Gustav Henckell starb 1942. Nach der Übernahme der Conservenfabrik Frauenfeld im Jahre 1906 begann der Einfluss des von Frauenfeld kommenden Hans Wälli-Sulzberger in der Hero (auch die Architekten der grossen Fabrikausbauten von 1909 bis 1912, Brenner & Stutz, stammten aus Frauenfeld). Hans Wälli wurde 1915 Direktor der Hero und bestimmte die Geschicke des Unternehmens bis zu seinem Tode 1948. Ihm folgte sein Sohn Eduard Wälli als Unternehmensleiter. Er starb 1971. Ab 1958 bis Mitte der 1970er-Jahre wirkte Dr. Markus Roth, vormals Stadtschreiber in Lenzburg, neben Eduard Wälli als Direktor.

Bild: Das 1948 in Betrieb genommene Wohlfahrtshaus. Quelle: Alfred Willener, Lenzburg als Industriestandort, Lenzburg 1950, Abbildung 17
Engagement für die Angestellten
Den Patrons der Firma war das Engagement für die Angestellten schon früh ein Anliegen. So liess die Hero im Rahmen der von der Baufirma Theodor Bertschinger 1908 bis 1912 verwirklichten Überbauung Lindenplatz im Wolfsacker ein Vierfamilienhaus für Angestellte errichten (heute umgebaut, in Privateigentum). 1948 wurde das nach Plänen des Architekten Richard Hächler erbaute Wohlfahrtshaus am Niederlenzer Kirchweg 5 in Betrieb genommen. Es enthielt Garderoben- und Duschräume für die Arbeiterinnen und Arbeiter im Untergeschoss sowie Speise- und Versammlungsräume im Obergeschoss. Dieses Gebäude ist wie die anderen Gebäude auf der Westseite des Niederlenzer Kirchweges nach 2000 an neue, private Eigentümer übergegangen und dient heute weiterhin Nutzungen, für die sich seine Räume eignen.
Ab 1947 wurden in zunehmendem Masse italienische, vorwiegend weibliche Saison-Arbeitskräfte für die hauptsächlich von Frühjahr bis Herbst dauernde Verarbeitung von Früchten und Gemüse beschäftigt. Waren es 1947 7 Saisonangestellte, so erhöhte sich ihre Zahl über 30 im Jahre 1952 auf 60 1957 und 97 1958. Anfänglich waren die Saisonniers vorwiegend in der «Alten Nagli» untergebracht. Das ist das ehemalige Fabrikgebäude beim Autobahnviadukt unmittelbar an der Gemeindegrenze Lenzburg/Niederlenz. Dieses Gebäude wird übrigens derzeit zu einer zeitgemässen Wohnliegenschaft aus- und umgebaut. Bald wurden für die wachsende Zahl der vor allem auch im Baugewerbe beschäftigten Saisonniers Unterkunftsbaracken erstellt. Die Hero errichtete 1958 für ihre Saisonarbeiter an der Wolfsackerstrasse 4 und 6 zwei Liegenschaften mit Zimmern in den beiden Obergeschossen und Gemeinschaftsräumen im halb in den Boden versenkten Untergeschoss. Diese beiden Gebäude sind 2002/03 in Reihenhäuser umgebaut und an Private veräussert worden.

Bild: Eine der ehemaligen Unterkünfte für Saison-Angestellte der Hero an der Wolfsackerstrasse. Quelle: Fotosammlung Nussbaum, Museum Burghalde Lenzburg, GBE-626
Manager führen die Firma – nach Gerüchten um einen Erwerb der Firma durch arabische Scheichs verhindert ein Management Buy-out die Übernahme der Hero durch Klaus Jacobs
Ab den 1970er-Jahren leiten Hans Tschumi und Walter Heiniger die Firma. 1980 wird Rudolf Stump Unternehmensleiter. Zu ihm gesellen sich Heinz R. Diehl und Felix F.J.M. Dony.
Schon längere Zeit hatten Gerüchte die Runde gemacht, dass Hero demnächst von Nestlé übernommen werde. Da kam es 1986/87 zu einem realen Übernahmeversuch. Dieser manifestierte sich durch einen starken Kursanstieg der Hero-Aktien. Es war davon die Rede, arabische Scheichs hätten es auf Hero abgesehen. Schliesslich stellte sich heraus, dass Klaus Jacobs die Hero übernehmen wollte. Die leitenden Manager waren indes nicht für eine solche Übernahme zu haben, und so gab Klaus Jacobs nach kurzer Zeit auf. Die Herren Stump, Diehl und Dony kauften Jacobs sein Aktienpaket ab und brachten es in eine Holding ein. Sie wurden damit zu Grossaktionären mit Stimmenmehrheit. Finanziert wurde dieser 125 Millionen teure Aktienkauf durch einen Lombardkredit mehrerer Banken. Da die neuen Mehrheitsaktionäre diesen Kredit verzinsen und dereinst zurückzahlen mussten, war klar, dass sie nicht langfristig Eigentümer der Hero bleiben wollten. Als Heinz R. Diehl 1990 aus der Geschäftsleitung austrat, machte er seinen Deal und veräusserte seinen Anteil an die beiden Kollegen.
Die Hero geht in deutsche Hände über
Stump und Dony fanden schliesslich 1995 in den Schwartau-Werken von Dr. Arendt Oetker einen Käufer: Die Schwartau-Gruppe in Bad Schandau (in der Nähe von Lübeck) übernahm das Aktienpaket von Stump und Dony, d.h. 50,1 Prozent des Kapitals mit 61 Prozent der Stimmen. Nach dem Jahr 2000 konnte Dr. Oetker noch einen von einer Investment-Gesellschaft von Martin Ebner gehaltenen Aktienanteil erwerben. Hierauf unterbreitete Dr. Oetker 2003 den Publikumsaktionären ein Übernahmeangebot. Für die verbliebenen Minderheitsaktionäre war das ein schlechtes Geschäft, weil die Börsenkurse damals auf einem Tief waren. Aus der an der Börse kotierten Aktiengesellschaft wurde damit eine vom Eigner dominierte Firma. So gesehen schliesst sich der Kreis zur Gründungszeit: Damals gehörte die Conservenfabrik Lenzburg den Gründern, Henckell & Zeiler bzw. ab 1889 Henckell & Roth.
Von 1995 bis 2009 wurden in mehreren Etappen zuerst die ausländischen und dann die deutschen Gesellschaften des Schwartau-Konzerns in Hero integriert. Dies zeigt klar, dass die Schwartau-Gruppe Hero nicht wegen ihrer Produktionsanlagen in der Schweiz übernommen hat, sondern wegen des äusserst wertvollen, sowohl im deutschen, im italienischen, französischen, spanischen und vor allem englischen Sprachraum wohlklingenden «heldenhaften» Markennamens. Man liegt wohl nicht falsch, wenn man annimmt, dass sich «Hero» in Italien, Spanien (und Südamerika), Frankreich und im grossen englischsprachigen Teil der Welt besser verkaufen lässt als «Schwartau».

Bild Die Hero, aufgenommen um 1965, im Hintergrund ist ein Teil der Plantagen gut zu erkennen.
Vom Fabrikareal beim Bahnhof ins Hornerfeld
Die vielen Bauten im angestammten Areal beim Bahnhof Lenzburg sind über eine lange Zeit entstanden. Damit waren die Betriebsabläufe schliesslich nicht mehr wirtschaftlich. Das markante Fabrikgebäude in der obigen Abbildung neben dem unteren rechten Bildrand war das Herz der Produktion, die erntebedingt einen saisonalen Höhepunkt hatte. Gelagert wurden die Produkte in den länglichen Lagerhallen hinter dem Produktionsgebäude. Die Spedition befand sich in den Gebäuden am Niederlenzer Kirchweg, der auf der Foto nahe dem linken Rand verläuft, die Etikettierhalle an der Sägestrasse. Es gab im Areal keinen konsequenten Warenfluss vom Eingang der Rohmaterialien zur Auslieferung der Produkte. Vielmehr waren Transporte des Rohmaterials und der Produkte kreuz und quer durch das Fabrikareal vom Eingang zur Produktion oder zur Zwischenlagerung, zu den Lagern, zur Etikettierung und zur Spedition notwendig. Das war unwirtschaftlich und löste Neubaustudien aus.
Schon seit geraumer Zeit, besonders aber nach der Übernahme durch die Schwartau-Gruppe 1995 fand eine Sortimentsbereinigung der in Spitzenzeiten über 200 verschiedenen Produkte der Hero statt. Ebenso wurde die Produktion verschiedener Erzeugnisse ausgelagert, so beispielsweise 1998 die vorwiegend in Frauenfeld stattfindende Produktion von Gemüsekonserven. 2009 werden in Lenzburg die letzten Ravioli produziert. Sie werden heute im Auftrag und nach Rezept der Hero von Hilcona im Fürstentum Liechtenstein hergestellt.
Schliesslich wird das 6 ha umfassende Fabrikareal zwischen Eisenbahnlinie, Niederlenzer Kirchweg und Sägestrasse 2008 an die Elektra Birseck Münchenstein veräussert, die unter Federführung von Losinger & Marazzi in enger Zusammenarbeit mit den Behörden eine Planung für die Neuüberbauung des Areals entwickeln lässt.
Auf einem neu eingezonten Grundstück auf dem Hornerfeld, beim Autobahnzubringer, werden ein Werk für die Herstellung von Portionenkonfitüren und ein Büroneubau für den Konzernsitz erstellt. Sie werden 2011 eingeweiht, und zugleich wird das Jubiläum 125 Jahre Hero gefeiert.
Das Ende der Schweizer Produktion
Nach weniger als 14 Jahren ist die Produktion im neuen Werk an der Karl Roth-Strasse im Spätherbst 2024 eingestellt worden. Dass Hero nun nicht mehr in der Schweiz produziert, hängt nicht nur mit der Übernahme durch den Eigner des Schwartau-Konzerns zusammen, sondern auch mit gesellschaftlichem Wandel und der schweizerischen Landwirtschaftspolitik. In der Anfangszeit verarbeitete die Lenzburger Konservenfabrik die Ernte der bei der Fabrik gelegenen ausgedehnten Plantagen. Mit steigender Produktion mussten immer mehr Früchte und Gemüse von Landwirten erworben werden. Schliesslich musste die Hero auch auf Rohmaterial aus dem Ausland zugreifen. In zunehmendem Masse haben sich da die zum Schutze der Schweizer Landwirtschaft erhobenen hohen Zölle als problematisch erwiesen. Denn die Hero verkaufte den weit überwiegenden Teil ihrer Erzeugnisse im Ausland. Sie konnte dabei auch auf ihre ausländischen Werke zurückgreifen. Aber die Rohprodukte für die in der Schweiz liegenden Werke (zuletzt Lenzburg und bis 1998 Frauenfeld) waren wesentlich teurer als jene der ausländischen Werke – und auch jene der ausländischen Konkurrenz. Ausserdem belastete das hohe Lohnniveau in der Schweiz. Dies löste einen Trend zur Verlagerung der Produktion ins Ausland ein.
Aber auch gesellschaftliche Verhältnisse trugen zum Wandel bei. Die von der Hero produzierten Konserven waren anfänglich ein Luxusprodukt, das in Haushalten und Gaststätten Einsparungen beim Personal oder bei der aufgewendeten Zeit erlaubte. Deshalb fanden die Produkte trotz relativ hoher Preise Absatz. Heute sind Konserven eine Massenware, um deren Absatz bei den Grossverteilern wie Migros, Coop usw. dauernd mit Rabatt-Aktionen gekämpft wird. Schliesslich haben sich auch unsere Essgewohnheiten verändert. Gehörte früher das Konfi-Brot zu unserem üblichen Frühstück, ist es bei vielen von uns durch andere Produkte abgelöst worden. Damit ist es logisch, dass der Absatz in der Schweiz schliesslich zu klein wurde und wegen der hohen Preise nicht durch Lieferungen ins Ausland kompensiert werden konnte. Dies bedeutete das Ende für das einzig verbliebene Konfitüren-Werk in Lenzburg.
Wandel auch im Transportwesen

Bild: Die eindrückliche Flotte der Hero-Lastwagen, 1927. Quelle: Fotoband Liebes altes Lenzburg, Lenzburg 1986, Seite 167/68
Es sei hier noch ein Hinweis auf einen interessanten Nebenaspekt erlaubt: Das Transportwesen. Um 1927 verfügte die Conservenfabrik Lenzburg über einen eindrücklichen Fuhrpark an eigenen Lastwagen. Jahrzehntelang bis nach 1990 bediente sich Hero eines eigenen Parks an Lastwagen für ihre Transporte. Zu diesem Zweck wurde am Niederlenzer Kirchweg 15 1957 eine grosse Einstellhalle gebaut, die ursprünglich 16 und nach einem Anbau 20 Lastenzügen Platz bot. Südlich davon dienten weitere Gebäude als Werkstätte für den Unterhalt des eigenen Fuhrparks. Die Hero lieferte ihre Produkte selbst zu den Abnehmern aus. Diese ehemalige Lastwagengarage diente der Firma Alpsteg Fenster AG von 1998 bis 2008 (vor dem Bezug ihres Fabrikneubaus in Niederlenz) als provisorische Fensterfabrik. Das Gebäude beherbergt heute verschiedene Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe.
Bei der 2011 eröffneten Fabrik auf dem Hornerfeld suchte man vergeblich nach Lastwagen mit dem Schriftzug «Hero». Hier holte der Sattelschlepper eines grossen Transporteurs wie z.B. Galliker, Planzer usw. ganze Ladungen von Produkten ab. Erst im Logistikcenter des Transporteurs wurden dann die Sendungen für den Weitertransport zu den Kunden zusammengestellt.
Die Hero-Produktion hört auf – jene von Ricola kommt
Im Produktionsgebäude der Hero im Hornerfeld werden die Anlagen für die Herstellung der Portionenkonfitüren demontiert. Bald wird aber neues Leben in das Gebäude kommen: Die Bonbonfabrik Ricola aus Laufen hat das Gebäude erworben und wird hier einen neuen Standort für ihre Bonbonfabrikation einrichten. Aus Lenzburg wird dann nicht mehr «Hero in aller Munde» sein, sondern man wird im Mund Bonbons aus Lenzburg lutschen. Der Schriftzug «Hero» am Werk im Hornerfeld (siehe Titelbild) verschwindet.
Titelbild: Der Schriftzug «Hero» am Werk im Hornerfeld verschwindet.
Über
We Love Lenzburg macht jeden Monat eine Reise ins vergangene Lenzburg.
Christoph Moser, 77, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.