Pünktlich zur EM ist der Sammelwahn rund um die Fussballhelden auf dem Spielfeld wieder ausgebrochen. Jubelrufe, Wellen und Public Viewings halten die Massen in Atem. Klebebildchen mit den Idolen aus aller Welt beschwingen die Begeisterung der Kleinen. Als ob die flüchtigen Momente des Feierns und Triumphierens in den Sammelalben festgeklebt werden könnten, um die gelungenen Flanken, steilen Pässe und siegerhaften Schüsse auch nach dem Spiel noch einmal miterleben zu können.
Richtet man den eigenen Blick für einmal statt auf Bildschirm, Spielkonsole und Sammelalbum auf das, was sich direkt vor unseren Köpfen befindet, so mag man erstaunt sein, wo uns überall in und um Lenzburg «Helden und Propheten» begegnen– quasi in plain sight: Das Angelrain-Schulhaus ist voll von Schützen, Stürmern und Verteidigern – innen und aussen. Nur, dass da der Rollrasen durch das Spielfeld der Kulturgeschichte vertauscht ist.
So wie Panini-Bildli die Sammelleidenschaft der Jüngsten anzukurbeln vermögen, so haben die dortigen Wandbilder bereits vor über 100 Jahren Begeisterungsstürme bei Jung und Alt ausgelöst. Dies ist jedenfalls der flammenden Rede zur Einweihung derselben Bildungsinstitution vom 17. Juli 1903 zu entnehmen. Der Nationalstolz, den diese grossformatigen Szenerien noch heute versprühen, ist nicht zu übersehen: Wenn sich Winkelried in die gegnerische Mannschaft stürzte, Zwingli die Fangemeinde befeuerte, Pestalozzi den Sermon verlauten liess und Tell den perfekten Schuss abgab, dann sprechen hier die Kunstwerke eines wahren Meisters seines Fachs: Werner Büchly, zweifelsfrei der hiesige Shootingstar, quasi der Coach seiner Zeit. Büchly gelang es, die heroischen Figuren und die historischen Momente so effektvoll wie eine EM-Liveübertragung zu inszenieren.
Wer hätte sich nicht den eigenen Geschichtsunterricht so befeuernd wie den dramatischen Moment eines Penaltys gewünscht. Denn nicht nur auf dem Rollrasen vermögen Stulpen, Trikots und Nagelschuhe mit famosen Toren und leidenschaftlichem Einsatz zu begeistern.
Wie wunderbar doch Bildung sein kann, wenn sie die eigene Fantasie – und die der anderen – zu beflügeln vermag. Wer in der Aula des Angelrain-Schulhauses tief genug in die gewaltigen Szenen eintaucht, der kann vielleicht sogar die triumphierenden Rufe und den Klang der Nationalhymne durch das Schweizerland hören.
Dass Werner Büchly motivisch sowohl für die geistige wie die körperliche Bildung zu haben war, beweist etwa das Plakat für das Aargauische Kantonal-Turnfest in Lenzburg am 21. und 22. Juli 1907. Die Darstellung von (Halb-)Göttern zu Lebzeiten des Künstlers diente nicht zuletzt der Formung der Jugend und hatte damit eine moralische Vorbildfunktion .
Non scholae sed vitae discimus (lat. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir). Wie schon Seneca, der römische Denker vor 2000 Jahren, hat es Werner Büchly erfasst und den Leitsatz am Angelrain-Schulhaus, am Eingang des Seetalschulhauses in Rupperswil, an der Turnhalle in Oberentfelden, an der Kantonsschule in Aarau oder am Pestalozzi-Schulhaus in Birr künstlerisch ausformuliert.
Heute wie damals ist wahres Heldentum gefragter denn je – in Worten wie in Taten, das Fiebern um die besten Spielerinnen und Spieler: auf dem Fussballfeld, auf dem politischen Parkett sowie im ganz privaten Alltag.
Hinweis
Werner Büchly hinterliess ein reiches Oeuvre an Schulhäusern, Privatvillen, Sakralbauten, das nun anlässlich seines 150 Jahr-Jubiläums erstmals überhaupt vom Museum Burghalde aufgearbeitet wird.
Es finden dieses Jahr zahlreiche Veranstaltungen statt. Im Kontext der Pop Up-Ausstellung «Helden und Propheten» werden im Ikonenmuseum ab 4. Juli mit Originalentwürfe imposanten Bildthemen gezeigt. Am Samstag, 11. September, laden die Denkmaltage zu einer Führung rund um das Angelrainschulhaus. Die Jubiläumspublikation mit herausragenden Abbildungen und informativen Texten wird am 4. November im Museum Burghalde vorgestellt.
www.museumburghalde.ch
www.ikonenmuseum.ch
Helden und Propheten
Richtet man den eigenen Blick für einmal statt auf Bildschirm, Spielkonsole und Sammelalbum auf das, was sich direkt vor unseren Köpfen befindet, so mag man erstaunt sein, wo uns überall in und um Lenzburg «Helden und Propheten» begegnen– quasi in plain sight: Das Angelrain-Schulhaus ist voll von Schützen, Stürmern und Verteidigern – innen und aussen. Nur, dass da der Rollrasen durch das Spielfeld der Kulturgeschichte vertauscht ist.
Schulhaus Angelrain in Lenzburg mit zwei der vier 7 Meter hohen Sgraffito-Bilder. Foto © Stiftung Museum Burghalde
So wie Panini-Bildli die Sammelleidenschaft der Jüngsten anzukurbeln vermögen, so haben die dortigen Wandbilder bereits vor über 100 Jahren Begeisterungsstürme bei Jung und Alt ausgelöst. Dies ist jedenfalls der flammenden Rede zur Einweihung derselben Bildungsinstitution vom 17. Juli 1903 zu entnehmen. Der Nationalstolz, den diese grossformatigen Szenerien noch heute versprühen, ist nicht zu übersehen: Wenn sich Winkelried in die gegnerische Mannschaft stürzte, Zwingli die Fangemeinde befeuerte, Pestalozzi den Sermon verlauten liess und Tell den perfekten Schuss abgab, dann sprechen hier die Kunstwerke eines wahren Meisters seines Fachs: Werner Büchly, zweifelsfrei der hiesige Shootingstar, quasi der Coach seiner Zeit. Büchly gelang es, die heroischen Figuren und die historischen Momente so effektvoll wie eine EM-Liveübertragung zu inszenieren.
Beflügelnde Bilder
Wer hätte sich nicht den eigenen Geschichtsunterricht so befeuernd wie den dramatischen Moment eines Penaltys gewünscht. Denn nicht nur auf dem Rollrasen vermögen Stulpen, Trikots und Nagelschuhe mit famosen Toren und leidenschaftlichem Einsatz zu begeistern.
Wie wunderbar doch Bildung sein kann, wenn sie die eigene Fantasie – und die der anderen – zu beflügeln vermag. Wer in der Aula des Angelrain-Schulhauses tief genug in die gewaltigen Szenen eintaucht, der kann vielleicht sogar die triumphierenden Rufe und den Klang der Nationalhymne durch das Schweizerland hören.
Werner Büchly: Wandmalerei (Detail) in der Aula des Angelrain-Schulhauses, Lenzburg, 1903. Foto © Stiftung Museum Burghalde Lenzburg
Dass Werner Büchly motivisch sowohl für die geistige wie die körperliche Bildung zu haben war, beweist etwa das Plakat für das Aargauische Kantonal-Turnfest in Lenzburg am 21. und 22. Juli 1907. Die Darstellung von (Halb-)Göttern zu Lebzeiten des Künstlers diente nicht zuletzt der Formung der Jugend und hatte damit eine moralische Vorbildfunktion .
Werner Büchly, 1907: Originalplakat für das Aargauische Kantonal-Turnfest aus der Sammlung des Museum Burghalde.
Wir brauchen Helden
Non scholae sed vitae discimus (lat. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir). Wie schon Seneca, der römische Denker vor 2000 Jahren, hat es Werner Büchly erfasst und den Leitsatz am Angelrain-Schulhaus, am Eingang des Seetalschulhauses in Rupperswil, an der Turnhalle in Oberentfelden, an der Kantonsschule in Aarau oder am Pestalozzi-Schulhaus in Birr künstlerisch ausformuliert.
Heute wie damals ist wahres Heldentum gefragter denn je – in Worten wie in Taten, das Fiebern um die besten Spielerinnen und Spieler: auf dem Fussballfeld, auf dem politischen Parkett sowie im ganz privaten Alltag.
Hinweis
Werner Büchly hinterliess ein reiches Oeuvre an Schulhäusern, Privatvillen, Sakralbauten, das nun anlässlich seines 150 Jahr-Jubiläums erstmals überhaupt vom Museum Burghalde aufgearbeitet wird.
Es finden dieses Jahr zahlreiche Veranstaltungen statt. Im Kontext der Pop Up-Ausstellung «Helden und Propheten» werden im Ikonenmuseum ab 4. Juli mit Originalentwürfe imposanten Bildthemen gezeigt. Am Samstag, 11. September, laden die Denkmaltage zu einer Führung rund um das Angelrainschulhaus. Die Jubiläumspublikation mit herausragenden Abbildungen und informativen Texten wird am 4. November im Museum Burghalde vorgestellt.
www.museumburghalde.ch
www.ikonenmuseum.ch
Titelbild: Detail des Originalplakats für das Aargauische National-Turnfest von Werner Büchly. Sammlung Museum Burghalde Lenzburg
Über
Der Titel dieser Rubrik geht auf das Kuriositätenkabinett zurück, das im 14. Jahrhundert entstand und ein Vorläufer der heutigen Museen ist. In diesem Raum oder Schrank wurde alles gesammelt, was als interessant angesehen wurde. Die Sammlungen an Kuriositäten gingen von einheimischen Artefakten bis hin zu naturkundlichen Objekten und Fossilien.
In dieser Ausgabe der Rubrik «Kuriositätenkabinett» stellt der Leiter des Museum Burghalde und des Ikonenmuseum Lenzburg, Dr. Marc Philip Seidel, die neusten Funde und Erkenntnisse des wiederentdeckten Lenzburger Künstlers Werner Büchly vor.