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Institut für gute Mütter

In einer dystopischen Gesellschaft soll Frida Liu in einer speziell dafür gedachten Einrichtung lernen, eine gute Mutter zu sein.

Von Maya Rhinisperger Baumann

«Eine gute Mutter zeichnet sich durch völlige Selbstlosigkeit und gänzlichen Verzicht auf eigene Bedürfnisse aus», heisst es im Jessamine Chans Debütroman. Ob jemand das Recht behält, sein Kind zu erziehen, entscheidet die «Kinderschutzbehörde».
Die Geschichte nimmt ihren beklemmenden Verlauf, als die alleinerziehende Protagonistin Frida Liu eines Tages in ihrer Überforderung mit Kleinkind und Job ganz einfach die Zeit vergisst. Eigentlich wollte sie nur kurz für ein paar Minuten aus dem Haus um ein paar Unterlagen im Büro zu holen. Daraus werden dann aber schnell zwei Stunden, während Fridas 18 Monate alte Tochter Harriet allein zuhause bleibt und schliesslich mit ihrem Schreien die Nachbarn alarmiert.
Frida kommt nach diesem Vorfall vor die Kinderschutzbehörde und soll nun während der ersten Phase eines neuen Rehabilitationsprogramms, ständig durch Kameras in der eigenen Wohnung überwacht, beweisen, dass sie keine Gefahr für Harriet darstellt. Damit sie das Sorgerecht behalten darf, muss Frida anschliessend in einem Institut gemeinsam mit anderen in Ungnade gefallenen Müttern lernen «gut zu sein».
Frida muss während des Programms mit einer ihr zugeteilten KI-Puppe arbeiten, die mit der Zeit seltsam menschlich wird und ihr ans Herz wächst. Ihre echte Tochter darf Frida während dieser Zeit nicht sehen und die wöchentliche Telefonzeit wird ihr immer öfters als Bestrafung entzogen. Die Beziehung zu Harriet, die nun beim Vater und dessen neuer Freundin lebt, leidet unter diesen Umständen natürlich sehr.
Eine berührende und erschreckende Geschichte über Mutterschaft, Feminismus und Rassismus in einem totalitären Staat. Keine einfache Kost, aber sehr lesenswert!

Das Buch kann  in der Stadtbibliothek ausgeliehen werden.
Jessamine Chan / Institut für gute Mütter. Ullstein Verlag, 2021