Kürzlich las man in der Zeitung, ab dem nächsten Schuljahr könne nicht mehr allen Schüler:innen ein schulfreier Mittwochnachmittag gewährt werden; der Turnunterricht müsse auf den Mittwochnachmittag ausgedehnt werden, da die Kapazität der Turnhallen nicht mehr ausreiche. Auch wird aus Sportlerkreisen immer wieder der Ruf nach zusätzlichen Turnhallen laut. Dabei hat Lenzburg mit seinen 11’000 Einwohnern eigentlich recht viele Turnhallen. Die gemeindeeigenen Schulen verfügen über die Dreifachturnhalle Angelrain sowie drei Einzelturnhallen (Angelrain und zwei im Lenzhardschulhaus). Hinzu kommt die Sportanlage Neuhof der Berufsschule mit einer Dreifachturnhalle und einer Einzelhalle. Auch die Mehrzweckhalle Schützenmatte kann teilweise für den Sportbetrieb benützt werden.
Frühere Lenzburger Generationen kannten wesentlich bescheidenere Verhältnisse. Die erste Lenzburger Turnhalle, die Turnhalle Angelrain, konnte 1908, fünf Jahre nach dem Bau des Schulhauses Angelrain, eingeweiht werden. Sie war von grossen Freiflächen umgeben, die man für das Turnen im Freien verwenden konnte. Diese Halle war dann 44 Jahre lang die einzige für sämtliche Schüler:innen und Turnvereine.
Als 1847 das Grabenland beim Hünerwadelhaus (dem ehemaligen einzigen Schulhaus der Stadt Lenzburg) nicht verpachtet werden konnte, richtete man hier einen öffentlichen Platz ein, der als Turnplatz diente. Als dann 1875 die Poststrasse vom Standort des ehemaligen Unteren Tores (abgebrochen 1841) als Zufahrtsstrasse bis zur neu angelegten Bahnhofstrasse ausgebaut wurde, verlegte man den Turnplatz in die Marktmatten.
Dieser Platz lag dort, wo bei der Verlängerung der Seetalbahn von Lenzburg Spitzkehre nach Wildegg im Jahre 1896 der Bahnhof Lenzburg Stadt errichtet wurde. Daher musste der Turnplatz erneut an einen anderen Standort verlegt werden. Man siedelte ihn nun im Ziegelacker, am Grabenweg, an. Dies war der Standort des 1867 durch den heutigen Friedhof «Rosengarten» ersetzten Friedhofs. Heute befindet sich dort ein von den Kindern und den sie begleitenden Eltern oder Grosseltern rege benützter Spielplatz. Wohl die wenigsten sind sich dabei bewusst, dass unter ihnen die Gebeine von Generationen von Lenzburgern liegen.
Die ehemalige grosse Ratsstube im 2. Stock des Rathauses diente bis zum Ausbau des Alten Gemeindesaales im Jahre 1864 als Konzertlokal und für Bankette, Bälle, Vorträge und andere gesellschaftliche Veranstaltungen. Und: Die Schulen und Vereine benützten diesen Raum als Turnlokal. Im Weiteren dienten auch die Pfrundscheune bei der Stadtkirche und der Tröckneraum (Theatersaal) im 1. Stock des noch nicht ausgebauten Alten Gemeindesaales von 1844 dem Turnunterricht im Winter. Diese Räume wurden 1878 durch ein unter dem Alten Gemeindesaal eingerichtetes Turnlokal ersetzt.
Trotz dieses bescheidenen Angebots an Räumen und Aussenanlagen: Das Turnen hatte schon damals in der Gesellschaft einen grossen Stellenwert. An Turnfesten wetteiferten die Turner um Sieg und Anerkennung. Am 21. und 22. Juli 1907 (Sommerferien wie heute waren damals offensichtlich noch unbekannt) fand in Lenzburg ein Kantonalturnfest statt, für das ein knackiger Turner auf einem vom Kunstmaler Werner Büchli (1871-1942) entworfenen Plakat warb.
Im Frühjahr 1952 konnte die Turnhalle Mühlematt eingeweiht werden. Der zweigeschossige Turnhalle-Trakt umfasste im oberen Geschoss eine Normal-Turnhalle. Im Kellergeschoss war eine in der Höhe beschränkte Schwing- und Athletikhalle mit Holzklötzli-Boden eingebaut, die vor allem auch dem damals sehr aktiven Schwingclub Lenzburg diente. Der nach Westen anschliessende Eingangstrakt war dreigeschossig: Über den Garderoben im Kellergeschoss und einem Schulzimmer im Parterre befand sich im 1. Stock eine Tribüne. Denn in der Turnhalle Mühlematt fanden bis zur Einführung des Frauenstimmrechts im Jahre 1971 die Gemeindeversammlungen statt, und dafür bot die Tribüne willkommene zusätzliche Sitzplätze. Damals galt noch der Stimmzwang mit entsprechend vielen Stimmberechtigten an den Gemeindeversammlungen. So nahmen an der ersten Gemeindeversammlung in der neuen Turnhalle am 16. Juni 1952 800 von 1’499 Stimmberechtigten teil. Entsprechend prekär waren die Platzverhältnisse im Alten Gemeindesaal gewesen, wo die Gemeindeversammlungen bisher stattgefunden hatten.
Am 6. Mai 1959 brannte die Mühlematt-Turnhalle fast vollständig nieder. Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden. Der Wiederaufbau zog sich bis ins Frühjahr 1960 hin. Ein Jahr lang fehlte der Schule damit mehr als die Hälfte der Turnhallen-Kapazität. Der Autor, der damals die 5. Klasse der Primarschule besuchte, erinnert sich noch gut an diese Zeit. Der Turnunterricht fand – auch bei Wind und Wetter – weitgehend im Freien statt.
Mit der Einführung des Einwohnerrates am 1. Juli 1972 gehörten die Gemeindeversammlungen in der Turnhalle Mühlematt der Vergangenheit an. Später wurden an Stelle der ehemaligen Tribüne die Büros des Schulsekretariates eingerichtet.
Die Turnhalle Mühlematt «kränkelte» auch nach dem Wiederaufbau an baulichen Mängeln. Vor allem aber entsprach die untere Halle bezüglich der Ausmasse in keiner Weise einer Normalturnhalle. Dies führte dazu, dass sie nach langer Leidenszeit und der Prüfung verschiedener Sanierungs- und Umbauvorhaben schliesslich durch die 2008 eingeweihte Dreifachturnhalle Angelrain ersetzt und anschliessend abgebrochen wurde. An ihrer Stelle steht seit 2012 das Schulhaus Mühlematt, dessen Erweiterung bevorsteht. Der Bau der Dreifachturnhalle war übrigens erst durch die Aufhebung des Seetalbahngleises von der Spitzkehre zum Stadtbahnhof im Jahre 2005 möglich geworden, verlief doch diese Gleiskurve mitten durch das Neubauareal.
Im November 1960 konnte die erste Etappe des Quartierschulhauses Lenzhard mit 8 Schulzimmern und Turnhalle eröffnet werden. Es folgten weitere Schulbauten und 1972 eine Doppelturnhalle. Mit dem Um- und Erweiterungsbau der Schulanlage Lenzhard für das Oberstufenzentrum von 2017 bis 2018 wurde die ursprüngliche Einzelturnhalle in eine Aula umgewandelt.
Die Sportanlage Neuhof für die Berufsschulen mit einer Dreifachturnhalle und einer Einzelturnhalle wurde im Herbst 1989 dem Betrieb übergeben. Dazu noch ein Kuriosum: Die Berechnungen hatten ergeben, dass die Berufsschulen 3 ½ Hallen benötigten, deshalb stimmten die zuständigen Subventionsbehörden dem Bau der 4. Halle nur unter der Bedingung zu, dass die Stadt Lenzburg die Hälfte der entsprechenden Baukosten übernehme. Die Frage sei erlaubt, wie der Bedarf der Berufsschulen gedeckt worden wäre, wenn die Stadt zu dieser Lösung nicht Hand geboten hätte.
Mit der Sportanlage Wilmatten mit Leichtathletik-Stadion, Fussball-Spielfeldern und kombiniertem Garderobe- und Tribünegebäude erhielten die Lenzburger Sportbegeisterten und insbesondere der Fussballclub Lenzburg Ende der 1960er-Jahre eine grosszügige Freiluft-Sportanlage. Bis dahin hatte der FC seine Spiele auf der Wiese westlich des Schulhauses Lenzhard ausgetragen. Diese dient heute dem Schulsport.
Die älteste Lenzburger Turnhalle
Frühere Lenzburger Generationen kannten wesentlich bescheidenere Verhältnisse. Die erste Lenzburger Turnhalle, die Turnhalle Angelrain, konnte 1908, fünf Jahre nach dem Bau des Schulhauses Angelrain, eingeweiht werden. Sie war von grossen Freiflächen umgeben, die man für das Turnen im Freien verwenden konnte. Diese Halle war dann 44 Jahre lang die einzige für sämtliche Schüler:innen und Turnvereine.
Wo fand der Turnunterricht vor 1908 statt?
Als 1847 das Grabenland beim Hünerwadelhaus (dem ehemaligen einzigen Schulhaus der Stadt Lenzburg) nicht verpachtet werden konnte, richtete man hier einen öffentlichen Platz ein, der als Turnplatz diente. Als dann 1875 die Poststrasse vom Standort des ehemaligen Unteren Tores (abgebrochen 1841) als Zufahrtsstrasse bis zur neu angelegten Bahnhofstrasse ausgebaut wurde, verlegte man den Turnplatz in die Marktmatten.
Ausschnitt aus dem Übersichtsplan von Lenzburg, 1:1’000, von Baumeister Fischer von 1881/82 mit dem Turnplatz in den Marktmatten (links sieht man den Fuss des Bahndamms, unten den Aabach und in der rechten oberen Ecke die Kurve der Poststrasse bei der Stadtkirche)
Quelle: Stadtarchiv Lenzburg III YD.5a-b
Dieser Platz lag dort, wo bei der Verlängerung der Seetalbahn von Lenzburg Spitzkehre nach Wildegg im Jahre 1896 der Bahnhof Lenzburg Stadt errichtet wurde. Daher musste der Turnplatz erneut an einen anderen Standort verlegt werden. Man siedelte ihn nun im Ziegelacker, am Grabenweg, an. Dies war der Standort des 1867 durch den heutigen Friedhof «Rosengarten» ersetzten Friedhofs. Heute befindet sich dort ein von den Kindern und den sie begleitenden Eltern oder Grosseltern rege benützter Spielplatz. Wohl die wenigsten sind sich dabei bewusst, dass unter ihnen die Gebeine von Generationen von Lenzburgern liegen.
Turnen im Freien bei Sonne – und bei Regen und Schnee?
Die ehemalige grosse Ratsstube im 2. Stock des Rathauses diente bis zum Ausbau des Alten Gemeindesaales im Jahre 1864 als Konzertlokal und für Bankette, Bälle, Vorträge und andere gesellschaftliche Veranstaltungen. Und: Die Schulen und Vereine benützten diesen Raum als Turnlokal. Im Weiteren dienten auch die Pfrundscheune bei der Stadtkirche und der Tröckneraum (Theatersaal) im 1. Stock des noch nicht ausgebauten Alten Gemeindesaales von 1844 dem Turnunterricht im Winter. Diese Räume wurden 1878 durch ein unter dem Alten Gemeindesaal eingerichtetes Turnlokal ersetzt.
Trotz dieses bescheidenen Angebots an Räumen und Aussenanlagen: Das Turnen hatte schon damals in der Gesellschaft einen grossen Stellenwert. An Turnfesten wetteiferten die Turner um Sieg und Anerkennung. Am 21. und 22. Juli 1907 (Sommerferien wie heute waren damals offensichtlich noch unbekannt) fand in Lenzburg ein Kantonalturnfest statt, für das ein knackiger Turner auf einem vom Kunstmaler Werner Büchli (1871-1942) entworfenen Plakat warb.
Plakat von Werner Büchli für das Turnfest von 1907
Quelle: Helden und Propheten, Der neu entdeckte Werner Büchly, S. 12, Stiftung Museum Burghalde, Lenzburg, 2021, ISBN 978-3-03846-930-8
Die Turnhalle Mühlematt, 1952 – 2008
Im Frühjahr 1952 konnte die Turnhalle Mühlematt eingeweiht werden. Der zweigeschossige Turnhalle-Trakt umfasste im oberen Geschoss eine Normal-Turnhalle. Im Kellergeschoss war eine in der Höhe beschränkte Schwing- und Athletikhalle mit Holzklötzli-Boden eingebaut, die vor allem auch dem damals sehr aktiven Schwingclub Lenzburg diente. Der nach Westen anschliessende Eingangstrakt war dreigeschossig: Über den Garderoben im Kellergeschoss und einem Schulzimmer im Parterre befand sich im 1. Stock eine Tribüne. Denn in der Turnhalle Mühlematt fanden bis zur Einführung des Frauenstimmrechts im Jahre 1971 die Gemeindeversammlungen statt, und dafür bot die Tribüne willkommene zusätzliche Sitzplätze. Damals galt noch der Stimmzwang mit entsprechend vielen Stimmberechtigten an den Gemeindeversammlungen. So nahmen an der ersten Gemeindeversammlung in der neuen Turnhalle am 16. Juni 1952 800 von 1’499 Stimmberechtigten teil. Entsprechend prekär waren die Platzverhältnisse im Alten Gemeindesaal gewesen, wo die Gemeindeversammlungen bisher stattgefunden hatten.
Die Turnhalle Mühlematt, aufgenommen 1952; hinter dem Baum erkennt man das die Fassade schmückende Sgraffito von Arnold Ammann
Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 1953, S. 106
Brand der Turnhalle Mühlematt
Am 6. Mai 1959 brannte die Mühlematt-Turnhalle fast vollständig nieder. Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden. Der Wiederaufbau zog sich bis ins Frühjahr 1960 hin. Ein Jahr lang fehlte der Schule damit mehr als die Hälfte der Turnhallen-Kapazität. Der Autor, der damals die 5. Klasse der Primarschule besuchte, erinnert sich noch gut an diese Zeit. Der Turnunterricht fand – auch bei Wind und Wetter – weitgehend im Freien statt.
Mit der Einführung des Einwohnerrates am 1. Juli 1972 gehörten die Gemeindeversammlungen in der Turnhalle Mühlematt der Vergangenheit an. Später wurden an Stelle der ehemaligen Tribüne die Büros des Schulsekretariates eingerichtet.
Ersatz durch die Dreifachturnhalle Angelrain
Die Turnhalle Mühlematt «kränkelte» auch nach dem Wiederaufbau an baulichen Mängeln. Vor allem aber entsprach die untere Halle bezüglich der Ausmasse in keiner Weise einer Normalturnhalle. Dies führte dazu, dass sie nach langer Leidenszeit und der Prüfung verschiedener Sanierungs- und Umbauvorhaben schliesslich durch die 2008 eingeweihte Dreifachturnhalle Angelrain ersetzt und anschliessend abgebrochen wurde. An ihrer Stelle steht seit 2012 das Schulhaus Mühlematt, dessen Erweiterung bevorsteht. Der Bau der Dreifachturnhalle war übrigens erst durch die Aufhebung des Seetalbahngleises von der Spitzkehre zum Stadtbahnhof im Jahre 2005 möglich geworden, verlief doch diese Gleiskurve mitten durch das Neubauareal.
Neubau des Schulhauses Lenzhard
Im November 1960 konnte die erste Etappe des Quartierschulhauses Lenzhard mit 8 Schulzimmern und Turnhalle eröffnet werden. Es folgten weitere Schulbauten und 1972 eine Doppelturnhalle. Mit dem Um- und Erweiterungsbau der Schulanlage Lenzhard für das Oberstufenzentrum von 2017 bis 2018 wurde die ursprüngliche Einzelturnhalle in eine Aula umgewandelt.
Das im November 1960 eingeweihte Schulhaus Lenzhard: In der Bildmitte der Schulpavillon an der Hallwilstrasse, links davon der Turnhalletrakt.
Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 1963, Seite 66
Die Sportanlage Neuhof für die Berufsschulen mit einer Dreifachturnhalle und einer Einzelturnhalle wurde im Herbst 1989 dem Betrieb übergeben. Dazu noch ein Kuriosum: Die Berechnungen hatten ergeben, dass die Berufsschulen 3 ½ Hallen benötigten, deshalb stimmten die zuständigen Subventionsbehörden dem Bau der 4. Halle nur unter der Bedingung zu, dass die Stadt Lenzburg die Hälfte der entsprechenden Baukosten übernehme. Die Frage sei erlaubt, wie der Bedarf der Berufsschulen gedeckt worden wäre, wenn die Stadt zu dieser Lösung nicht Hand geboten hätte.
Sportanlage Wilmatten
Mit der Sportanlage Wilmatten mit Leichtathletik-Stadion, Fussball-Spielfeldern und kombiniertem Garderobe- und Tribünegebäude erhielten die Lenzburger Sportbegeisterten und insbesondere der Fussballclub Lenzburg Ende der 1960er-Jahre eine grosszügige Freiluft-Sportanlage. Bis dahin hatte der FC seine Spiele auf der Wiese westlich des Schulhauses Lenzhard ausgetragen. Diese dient heute dem Schulsport.
Titelbild: Die Turnhalle Angelrain, aufgenommen 1929, vor dem Bau des Schulhauses Bleicherain. Quelle: Liebes altes Lenzburg, S. 87
Über
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Christoph Moser, 74, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.