Stadtgespräch

We Love: die Schlosshüter der Lenzburg

Christine Ziegler und René Marty sind die Geschäftsführer der Stiftung Schloss Lenzburg. Warum sie sich in ihrer Rolle so wohl fühlen, welche Aufgaben der Alltag als Schlosshüter mit sich bringt und warum sie trotzdem nicht auf der Lenzburg wohnen, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Von: Olga Kuck

Bilder: Schloss Lenzburg

Wie kommt man eigentlich dazu, ein Schlosshüter zu werden? Ist königliches Blut die Voraussetzung oder gibt es dafür eine Berufslehre? Weder noch. Christine und René machte ein simpler Zeitungsbericht über die bevorstehende Pensionierung ihrer Vorgänger auf die Vakanz aufmerksam. Die Anforderungen waren breit gefächert: technisch, sozial, kreativ, kaufmännisch, administrativ – praktisch jede Handwerksader sollte in Ansätzen abgedeckt sein.

Christine ist studierte Betriebswirtin und ihr Partner René ein gelernter Elektromonteur und Lichtdesigner. Beide blicken auf facettenreiche Laufbahnen zurück, die den Aufgabenbereich des Schlosshüters gemeinsam gut abzudecken schienen. Die Motivation war auch persönlicher Natur: Die ausgeschriebene Stelle wäre eine Möglichkeit, um den Erfahrungsschatz an einem Ort einzubringen, wo es neben den finanziellen Aspekten auch um einen sinnstiftenden, kulturellen Auftrag geht. Und so reichten sie ihre Bewerbung ein – als Paar.

Bild: Kein übler Arbeitsort, oder?

Heute sind sich Christine und René einig: Schlosshüter zu sein bedeutet Herausforderung im Kleinen wie im Grossen. Von Vogelkindern, die aus dem Nest fallen, über den richtigen Umgang mit historischer Substanz, bis hin zur Planung neuer Grossveranstaltungen ist alles mit dabei. Dieser Diversität gerecht zu werden ist nicht immer leicht und unterscheidet den Job von so vielen anderen Berufen. Trotz – oder gerade aufgrund dieses farbigen Alltages? – fühlen sich Christine und René angekommen. Auch das work-sharing als Paar funktioniert bestens, da die beiden bezogen auf Eigeninitiative, Humor und die «Yes, we can!»- Mentalität ähnlich gepolt sind.

Täglicher Szenenwechsel

Seit sie Geschäftsführer der Lenzburg sind, beobachten Christine und René ein wachsendes Interesse an ihrer Person. Das Paar wird immer öfter auf den Strassen von Lenzburg City erkannt und auch die Stadt steht den Geschäftsführern ihres Wahrzeichens sehr aufmerksam und wohlwollend entgegen.

Anders als ihre Vorgänger haben sich Christine und René dazu entschieden, ihr eigenes Reich und die verdiente Privatsphäre weiter zu erhalten und nicht in die Personalwohnung auf dem Schloss zu ziehen. Der tägliche Szenenwechsel zwischen Schloss und ihrem Zuhause ist für die beiden viel wert. Und die Wohnsituation klappt sehr gut, da der hübsche Altbau des Paares in unmittelbarer Nähe zur Lenzburg liegt und sie auch bei einem Notfall schnell vor Ort sind.

Bild: Ein sympathisches Paar: Christine Ziegler und René Marty.

Talking Business 

Als Schlosshüter sind Christine und René von der «Stiftung Schloss Lenzburg» angestellt, die auch Eigentümerin der Burg ist. Drei Instanzen beleben unser Schloss: Das Museum Aargau, ein Bistrot in den ehemaligen Räumen des Stapferhauses das vom Hotel Krone gepachtet wird, und die Stiftung in ihrer Funktion als Vermieter der zahlreichen Schloss-Räumlichkeiten für Veranstaltungen.

Die Vision der Stiftung ist es, das Schloss zu erhalten und Geschichte sowie Kultur der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazwischen hat das Schlosshüter-Paar aber Raum für eigene Interpretationen. Ein grosses Thema ist der Generationenwechsel und es ist Christine wie René ein grosses Anliegen, die starke Verbundenheit der Lenzburger*innen zu ihrem Schloss auch für die kommenden Jahre zu erhalten.

Zukunftsziele

Auch für eine historische Institution wie die Lenzburg ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Deshalb wird auf dem Schloss neben Hochzeiten oder Schulführungen beispielsweise auch eine «Day Dance Party» organisiert, die lokalen Künstlern im Bereich der elektronischen Musik eine Plattform bietet. Letztes Jahr wurde die Veranstaltung zum ersten Mal durchgeführt und war ein schöner Erfolg für beide Seiten. Nicht zuletzt, weil genau solche Projekte die Berührungsängste der jüngeren Jahrgänge zur Geschichte nehmen.

In der Saison 2020 waren viele neue Veranstaltungen geplant, mit denen das Schlosshüter-Paar  das Programm  wesentlich geprägt hätte.. Aufgrund der aktuellen Lage mussten viele Termine abgesagt oder verschoben werden. Es ist zu hoffen, dass das Schloss spätestens nächstes Jahr die Anlässe in gewohnter Frequenz durchführen kann. Die Vielfalt, die man hier oben erleben kann, ist nämlich zu normalen Zeiten – Zitat René – «der Hammer».

Ein weiteres Zukunftsziel ist der Anspruch auf absolute Qualität. Der Kunde ist der König im Schloss. Um das zu weiterhin zu gewährleisten ist es wichtig, jedes Jahr aufs Neue eine spannende Saison zusammenzustellen. Die nächste grosse Herausforderung wird es sein, die Aktivitäten im renovierten Bernerhaus weiter auszubauen und die Schlossräume dem Stiftungszweck entsprechend zu beleben.

Bild: Zum Ausdrucken und an den Kühlschrank kleben.

Zum Schluss möchte ich ein paar persönliche Worte loswerden. Es war für mich eine Freude, auf dem Schloss empfangen zu werden und dieses inspirierende Paar kennenzulernen. Eine Sache ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Im Gespräch sagte Christine zu mir, dass nicht jeder Tag auf dem Schloss so märchenhaft ist, wie man es sich vielleicht vorstellt. Aber das muss auch nicht sein – wenn man sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort fühlt und dadurch beginnt, auch langfristig zu denken, macht die Zukunftsfreude alles wieder wett. Ein tattoowierwürdiger Gedanke!

Danke Christine und merci René, wir sehen uns bald wieder. Das Schlosshüter-Paar zeigt «We Love Lenzburg» in der Rubrik «Voyeur*in» ihren wunderschönen Altbau.