Kuriositätenkabinett

Zielwasser und Hugenotten

Flucht, Kunsthandwerk und Trunk. Französische Spuren im Museum Burghalde.

Von Irène Fiechter

 

Unter den vielen Bijous, die im Museum Burghalde Lenzburg zu finden sind, glänzen zwei fein gearbeitete teilvergoldete Schalen. Gefertigt wurden sie Ende des 17. Jahrhunderts vom französischen Goldschmied Jean Poulet, der aus religiösen Gründen im Schweizer Exil lebte. Als Hugenotte wurde er mit seinen Glaubensgeschwistern seit dem 15. Jahrhundert in Frankreich verfolgt. Der Grossteil der Glaubensflüchtlinge floh in Richtung Deutschland, die Niederlande, England oder gar nach Südafrika. In der Schweiz blieben etwa 20’000 Hugenotten. Sie brachten neue Ideen und Produktionsweisen mit und kurbelten die Wirtschaft an. Uhrmacherei, Indienne-Stoffduck oder eben Kunsthandwerk wie Goldschmiedearbeiten waren Spezialitäten der tüchtigen Hugenotten. Der Name Hugenotten entstand übrigens aus einer Verunglimpfung: Wenn Franzosen versuchen «Eidgenossen» zu sagen, klingt das etwa wie «Üdgeno». Französisch geschrieben kommt das Wort Hugenotte heraus. Die französischen Protestanten wurden «Eidgenossen» (Hugenotten) genannt, als Anspielung auf die Protestanten in der Schweiz, vor allem Jean Calvin, der damals in Basel und Genf aktiv war.

Poulet hatte es nicht einfach, in der Schweiz definitiv Fuss zu fassen. Er kam zu einer Zeit nach Lenzburg, als die Hugenotten scharenweise in die Schweiz flüchteten. 1687 kamen an einem einzigen Tag 8000 Flüchtende in Genf an. Die Stadt hatte damals selber nur etwa 16’000 Einwohner. Die Lenzburger gestatteten Poulet zeitlebens nur das Wohnrecht, und so wurde er Bürger von Möriken. Doch auch dort konnte er nicht bleiben. Ein Zwischenfall mit seinem Sohn – dieser hatte angeblich ein uneheliches Kind gezeugt – zwang Poulet Möriken zu verlassen. Er zog mit seiner Familie nach Lausanne, wo er dann in hohem Alter verstarb. Von seiner Goldschmiedekunst sind der Stadt Lenzburg zwei Jagdschälchen geblieben.



Was ist aber genau eine Jagdschale? Aus der Jagdschale – oder im Deutschen auch Scheidebecher – wurde von den edlen Herrschaften des 17. Jahrhunderts vor der traditionellen Fuchsjagt ein letzter Schluck genommen. Die Jagdschale gehört also zum Auftakt der Jagd. Heute wird vielleicht keine Jagdschale mehr verwendet, aber die Tradition, einen Schnaps vor der Jagd zu trinken, gibt es immer noch. Der Begriff «Zielwasser» kommt sicher nicht von ungefähr. Der Schnaps soll, wie der Name schon sagt, helfen die Treffsicherheit der Schützen zu erhöhen.

Wollen Sie mehr zu den Hugenotten erfahren? Vom 23. – 25. Oktober finden die Kulturtage Lenzburg zum Thema «Francophonie» statt. An verschiedenen Orten in Lenzburg, zum Beispiel in der Neuen Burghalde, finden Angebote statt. Da fehlen natürlich auch die Hugenotten nicht!

Im Museum Burghalde finden sich neben den Jagdschalen noch weitere hugenottische Spuren. Wir verlosen deshalb 3 Eintritte zum Museum Burghalde. Eine E-Mail an info@welovelenzburg.ch mit Name, Vorname und Adresse und dem Betreff «I Love Üdgeno» bis Mittwoch, 30. September 2020, 23:59 Uhr, genügt, um mitzumachen. Die Gewinner/innen werden am Donnerstag, 1. Oktober 2020, bis 12.00 Uhr, benachrichtigt.