In der Zeitreise vom Januar 2022 haben wir erfahren, woher der Name Niederlenzer Kirchweg kommt. Bis vor etwas mehr als hundert Jahren trug der Weg diesen Namen bis zur Gemeindegrenze Lenzburg/Staufen bei der Kreuzung mit der Aarauerstrasse. Am 15. September 1915 beschloss der Stadtrat, das Teilstück von der Bahnhofstrasse bis zur Aarauerstrasse in Augustin Keller-Strasse umzubenennen.
In Aarau und Lenzburg hat man zu Ehren des bedeutenden Pädagogen und Staatsmanns Augustin Keller eine Strasse nach ihm benannt. Im Freiamt dagegen war er lange als «Klostermetzger» verpönt, weil er im Grossen Rat 1840 den Antrag zur Aufhebung der aargauischen Klöster einbrachte. Augustin Keller ist der eigentliche «Vater» der Schule und der Lehrerbildung im Aargau. Er hat die Schulgesetzgebung geprägt und mit dem Lehrerseminar dafür gesorgt, dass die Schulen von ausgebildeten Lehrern geführt wurden. Von 1834 bis 1856 war er Direktor des Aargauischen Lehrerseminars. 1848/49 und von 1866-1881 vertrat er den Kanton Aargau im Ständerat, von 1854-1866 im Nationalrat. Als Regierungsrat von 1854-1881 leitete er meist die Erziehungsdirektion.
Augustin Keller wurde am 10. November 1805 in einfachen Verhältnissen in Sarmenstorf geboren, zeigte in der Schule aber schon früh seine Begabungen. Gefördert von «Muetterli», der legendären Arztgattin Lisette Ruepp in Sarmenstorf, und auf deren Empfehlung hin liessen ihn seine Eltern zuerst in einem Institut im Toggenburg und anschliessend in der Kantonsschule Aarau ausbilden. Von 1827 bis 1830 studierte er an der Universität Breslau – damals Hauptstadt des preussischen Schlesiens – u.a. Philologie, Pädagogik, Geschichte und Philosophie.
Er war ein streitbarer und redegewandter Pädagoge und Politiker und setzte sich als Radikaler stets für die Werte der Aufklärung und für freie, selbstbestimmte Staatsbürger ein. Dementsprechend verfolgte er das Geschehen in der katholischen Kirche kritisch. Das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes bewog Keller an einer Volksversammlung von 1873 zu folgenden kraftvollen Worten: «Eidgenossen! Seitdem am 18. Juli 1870 ein unfehlbarer Papst gemacht worden ist, schneit es schwarz Sommer und Winter, Tag und Nacht, und zwar so heftig, dass alle Wege des Fortschritts mit Schnee bedeckt sind.» Dies gab dann auch Anlass zur Gründung der Christkatholischen Kirche in der Schweiz, zu deren Gründern Augustin Keller gehörte.
1836 wurde das Aargauische Lehrerseminar, zu dessen Direktor Augustin Keller 1834 gewählt worden war, nach Lenzburg verlegt. Im «grossen Schulhaus», das die Stadt 1788 vom Indiennefabrikanten Marx Hünerwadel erworben hatte, wurden dem Seminar sechs Zimmer und später noch weitere Räume zur Verfügung gestellt. Mit dem Seminar zog Augustin Keller nach Lenzburg, wohnte und wirkte hier bis zur Verlegung des Seminars 1846 in das aufgehobene Kloster Wettingen.
Nach einem äusserst aktiven politischen Leben bis ins hohe Alter von 76 Jahren, verbrachte Augustin Keller ab November 1881 seinen Lebensabend in der Liegenschaft Steinbrüchliweg 2 in Lenzburg. Im gegenüberliegenden Haus Steinbrüchliweg 1 wohnten sein Schwiegersohn und seine Tochter Fidel und Gertrud Villiger-Keller. Hier starb er am 8. Januar 1883. Er hat seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Rosengarten gefunden, wo seine Grabstele noch heute an ihn erinnert.
Wenden wir uns nun der Augustin Keller-Strasse und der Entwicklung in jenem Bereich zu, wo heute der grösste Publikumsverkehr stattfindet: Dem Coop-Supermarkt 2000 Plus. Nur den wenigsten Kunden dieses «Konsumtempels» ist wohl bewusst, dass sie sich in einer ehemaligen Kartonnagefabrik bewegen. In den Gebäuden an der Ecke Augustin Keller-Strasse/Zeughausstrasse befand sich bis 1993 die Kartonnage- und Wellpappenfabrik Langenbach AG, der älteste der ehemals fünf Papier und Karton verarbeitenden Betriebe in Lenzburg, die heute alle verschwunden sind. Am Anfang der Firma stand – wie bei der Hero – deutscher Pioniergeist. Gegründet wurde die Firma Langenbach AG nämlich vom aus Lahr, Schwarzwald, stammenden Jakob Langenbach. Nachdem er sich in der Kartonnagefabrik Laupen mit den schweizerischen Marktverhältnissen bekannt gemacht hatte, gründete er in Lenzburg 1876 seine Kartonnagefabrik. Zuerst provisorisch untergebracht, konnte die Firma 1879 den Fabrikneubau nahe beim Bahnhof beziehen. 1905 wurde in der Engelmatte, im Gebäude an der Niederlenzerstrasse, unmittelbar beim Autobahnviadukt, eine Wellkartonfabrik errichtet und 1915 in den grossen Fabrikneubau beim Bahnhof gezügelt.
Zu ihrer Entstehungszeit erstreckte sich westlich der Fabrik freies Feld. Diese Flächen wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend überbaut. So fehlte der Firma 1990 das nötige Areal für einen Erweiterungsbau. Sie verlegte daher ihren Betrieb 1993 nach Schafisheim, vis-à-vis von Coop-Verteilcenter und Jumbo-Markt. Die Firma Langenbach AG wurde 2001 von der Lande AG übernommen, und diese wurde 2009 in die Schelling AG überführt. Der mehr als 100jährige Name Langenbach AG gehört damit der Vergangenheit an.
Das markante Fabrikgebäude mit dem vorgelagerten, mit Shed-Dächern versehenen Anbau (im Bild in der rechten Hälfte) wurde für das Coop-Einkaufscenter umgebaut; die Gebäude in der linken Bildhälfte wurden abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Im August 1994 öffnete der Coop-Supermarkt 2000 Plus seine Tore.
Von der Migros zum Coop-Supermarkt, der die kleinen Coop-Läden ersetzt
Auf dem Bild der J. Langenbach AG erkennt man links im Vordergrund eine Wiesenfläche. Hier und an der Stelle zweier abgebrochener Liegenschaften wurde 1961/62 ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Im Parterre eröffnete die Migros im November 1962 ihren Migros-Markt Lenzburg. Sie verlegte diesen Markt im September 1979 in den «Mülimärt». Im frei gewordenen Ladenlokal wurde nun der Coop-Supermarkt Lenzburg aus der Taufe gehoben, der im August 1994 vis-à-vis eine erheblich grössere Fläche in den ehemaligen Langenbach-Gebäuden beziehen konnte. Seither diente der Laden bis vor kurzer Zeit der Firma Vögele-Schuhe. Derzeit steht das Lokal leer.
Vor 1979 existierten in Lenzburg und Staufen zahlreiche kleinere Coop-Filialen, die nach dieser Konzentration, die letzten erst nach der Eröffnung des Coop-Supermarkts 2000 Plus, geschlossen wurden, so z.B. an der Breitfeldstrasse, an der Bahnhofstrasse (heute Geschäftshaus Arcmala mit Denner-Filiale), an der Rathausgasse, an der Burghaldenstrasse und an der Ecke Hallwilstrasse/ Zelglistrasse sowie in Staufen an der Konsumstrasse, am Juraweg und an der Ecke Wiligraben/Wässermatten.
Von der Augustin Keller-Strasse gibt es noch mehr aus der Vergangenheit zu berichten. Doch dies müssen wir auf die nächste Zeitreise verschieben.
Augustin Keller und seine Bedeutung für den Aargau
In Aarau und Lenzburg hat man zu Ehren des bedeutenden Pädagogen und Staatsmanns Augustin Keller eine Strasse nach ihm benannt. Im Freiamt dagegen war er lange als «Klostermetzger» verpönt, weil er im Grossen Rat 1840 den Antrag zur Aufhebung der aargauischen Klöster einbrachte. Augustin Keller ist der eigentliche «Vater» der Schule und der Lehrerbildung im Aargau. Er hat die Schulgesetzgebung geprägt und mit dem Lehrerseminar dafür gesorgt, dass die Schulen von ausgebildeten Lehrern geführt wurden. Von 1834 bis 1856 war er Direktor des Aargauischen Lehrerseminars. 1848/49 und von 1866-1881 vertrat er den Kanton Aargau im Ständerat, von 1854-1866 im Nationalrat. Als Regierungsrat von 1854-1881 leitete er meist die Erziehungsdirektion.
Augustin Keller, 1805-1883. Quelle: Lebensbilder aus dem Aargau 1803-1953, Jubiläumsgabe der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, Aarau 1953, Seite 192
Augustin Keller wurde am 10. November 1805 in einfachen Verhältnissen in Sarmenstorf geboren, zeigte in der Schule aber schon früh seine Begabungen. Gefördert von «Muetterli», der legendären Arztgattin Lisette Ruepp in Sarmenstorf, und auf deren Empfehlung hin liessen ihn seine Eltern zuerst in einem Institut im Toggenburg und anschliessend in der Kantonsschule Aarau ausbilden. Von 1827 bis 1830 studierte er an der Universität Breslau – damals Hauptstadt des preussischen Schlesiens – u.a. Philologie, Pädagogik, Geschichte und Philosophie.
Er war ein streitbarer und redegewandter Pädagoge und Politiker und setzte sich als Radikaler stets für die Werte der Aufklärung und für freie, selbstbestimmte Staatsbürger ein. Dementsprechend verfolgte er das Geschehen in der katholischen Kirche kritisch. Das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes bewog Keller an einer Volksversammlung von 1873 zu folgenden kraftvollen Worten: «Eidgenossen! Seitdem am 18. Juli 1870 ein unfehlbarer Papst gemacht worden ist, schneit es schwarz Sommer und Winter, Tag und Nacht, und zwar so heftig, dass alle Wege des Fortschritts mit Schnee bedeckt sind.» Dies gab dann auch Anlass zur Gründung der Christkatholischen Kirche in der Schweiz, zu deren Gründern Augustin Keller gehörte.
Augustin Keller und Lenzburg
1836 wurde das Aargauische Lehrerseminar, zu dessen Direktor Augustin Keller 1834 gewählt worden war, nach Lenzburg verlegt. Im «grossen Schulhaus», das die Stadt 1788 vom Indiennefabrikanten Marx Hünerwadel erworben hatte, wurden dem Seminar sechs Zimmer und später noch weitere Räume zur Verfügung gestellt. Mit dem Seminar zog Augustin Keller nach Lenzburg, wohnte und wirkte hier bis zur Verlegung des Seminars 1846 in das aufgehobene Kloster Wettingen.
Das ehemalige KV-Schulhaus, nun Hünerwadelhaus genannt, um ca. 1940. Quelle: Lenzburger Neujahrsblätter 1946, Seite 4
Nach einem äusserst aktiven politischen Leben bis ins hohe Alter von 76 Jahren, verbrachte Augustin Keller ab November 1881 seinen Lebensabend in der Liegenschaft Steinbrüchliweg 2 in Lenzburg. Im gegenüberliegenden Haus Steinbrüchliweg 1 wohnten sein Schwiegersohn und seine Tochter Fidel und Gertrud Villiger-Keller. Hier starb er am 8. Januar 1883. Er hat seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Rosengarten gefunden, wo seine Grabstele noch heute an ihn erinnert.
Das später von der Witwe Emilie Wedekind bewohnte Haus Steinbrüchliweg 2. Quelle: Inventar LEN904B der Denkmalpflege Aargau
Von der Kartonnagefabrik zum Coop-Supermarkt
Wenden wir uns nun der Augustin Keller-Strasse und der Entwicklung in jenem Bereich zu, wo heute der grösste Publikumsverkehr stattfindet: Dem Coop-Supermarkt 2000 Plus. Nur den wenigsten Kunden dieses «Konsumtempels» ist wohl bewusst, dass sie sich in einer ehemaligen Kartonnagefabrik bewegen. In den Gebäuden an der Ecke Augustin Keller-Strasse/Zeughausstrasse befand sich bis 1993 die Kartonnage- und Wellpappenfabrik Langenbach AG, der älteste der ehemals fünf Papier und Karton verarbeitenden Betriebe in Lenzburg, die heute alle verschwunden sind. Am Anfang der Firma stand – wie bei der Hero – deutscher Pioniergeist. Gegründet wurde die Firma Langenbach AG nämlich vom aus Lahr, Schwarzwald, stammenden Jakob Langenbach. Nachdem er sich in der Kartonnagefabrik Laupen mit den schweizerischen Marktverhältnissen bekannt gemacht hatte, gründete er in Lenzburg 1876 seine Kartonnagefabrik. Zuerst provisorisch untergebracht, konnte die Firma 1879 den Fabrikneubau nahe beim Bahnhof beziehen. 1905 wurde in der Engelmatte, im Gebäude an der Niederlenzerstrasse, unmittelbar beim Autobahnviadukt, eine Wellkartonfabrik errichtet und 1915 in den grossen Fabrikneubau beim Bahnhof gezügelt.
Die Firma J. Langenbach AG, aufgenommen ca. 1950; im Vordergrund erkennt man die Augustin Keller-Strasse, nach links zweigt die Zeughausstrasse ab. Quelle: Alfred Willener, Lenzburg als Industriestandort, Lenzburg 1950, Abbildung 35 nach Seite 56
Zu ihrer Entstehungszeit erstreckte sich westlich der Fabrik freies Feld. Diese Flächen wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend überbaut. So fehlte der Firma 1990 das nötige Areal für einen Erweiterungsbau. Sie verlegte daher ihren Betrieb 1993 nach Schafisheim, vis-à-vis von Coop-Verteilcenter und Jumbo-Markt. Die Firma Langenbach AG wurde 2001 von der Lande AG übernommen, und diese wurde 2009 in die Schelling AG überführt. Der mehr als 100jährige Name Langenbach AG gehört damit der Vergangenheit an.
Das markante Fabrikgebäude mit dem vorgelagerten, mit Shed-Dächern versehenen Anbau (im Bild in der rechten Hälfte) wurde für das Coop-Einkaufscenter umgebaut; die Gebäude in der linken Bildhälfte wurden abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Im August 1994 öffnete der Coop-Supermarkt 2000 Plus seine Tore.
Von der Migros zum Coop-Supermarkt, der die kleinen Coop-Läden ersetzt
Auf dem Bild der J. Langenbach AG erkennt man links im Vordergrund eine Wiesenfläche. Hier und an der Stelle zweier abgebrochener Liegenschaften wurde 1961/62 ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Im Parterre eröffnete die Migros im November 1962 ihren Migros-Markt Lenzburg. Sie verlegte diesen Markt im September 1979 in den «Mülimärt». Im frei gewordenen Ladenlokal wurde nun der Coop-Supermarkt Lenzburg aus der Taufe gehoben, der im August 1994 vis-à-vis eine erheblich grössere Fläche in den ehemaligen Langenbach-Gebäuden beziehen konnte. Seither diente der Laden bis vor kurzer Zeit der Firma Vögele-Schuhe. Derzeit steht das Lokal leer.
Vor 1979 existierten in Lenzburg und Staufen zahlreiche kleinere Coop-Filialen, die nach dieser Konzentration, die letzten erst nach der Eröffnung des Coop-Supermarkts 2000 Plus, geschlossen wurden, so z.B. an der Breitfeldstrasse, an der Bahnhofstrasse (heute Geschäftshaus Arcmala mit Denner-Filiale), an der Rathausgasse, an der Burghaldenstrasse und an der Ecke Hallwilstrasse/ Zelglistrasse sowie in Staufen an der Konsumstrasse, am Juraweg und an der Ecke Wiligraben/Wässermatten.
Von der Augustin Keller-Strasse gibt es noch mehr aus der Vergangenheit zu berichten. Doch dies müssen wir auf die nächste Zeitreise verschieben.
Titelbild: Blick auf Lenzburg vom Schloss nach Westen, 1911; gegen den oberen Bildrand hin, parallel zum dunkeln Waldrand, erkennen wir die heutige Augustin Keller-Strasse mit den sie säumenden Häusern, umgeben von den damals noch freien Feldern in Richtung Lenzhardwald und Altstadt
Quelle: Fotoband Liebes altes Lenzburg, Ortsbürger-Kommission Lenzburg und Stiftung Museum Burghalde Lenzburg, 1986, Seite 187
Quelle: Fotoband Liebes altes Lenzburg, Ortsbürger-Kommission Lenzburg und Stiftung Museum Burghalde Lenzburg, 1986, Seite 187
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Christoph Moser, 74, war von 1979 bis 2010 Lenzburger Stadtschreiber.
Seit seiner Pensionierung betreut er das Stadtarchiv, verfasst Vorträge zu historischen Themen und wirkt als Stadtführer. Sein Motto: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hilft uns, unsere Gegenwart besser zu verstehen.