Kuriositätenkabinett

Kuriose Wurzeln und Schliffstopfenglas

Von prähistorischen Werkzeugen zu versteinerten Überbleibseln längst vergangener Zeiten: Im Museum Burghalde erfährt das Publikum, wie unsere Vorfahren gelebt haben. Das Depot des Museums beherbergt Schätze, die der Öffentlichkeit jedoch meist verborgen bleiben. Was schafft es in die Ausstellung und was nicht – und warum?

Von Irène Fiechter

 

Riesige Beine stampfen durch die karge Landschaft, lange Rüssel suchen unter Schnee nach Grasbüscheln und Farnsprösslingen. Der Permafrostboden taut auf, die riesigen Beine laufen Gefahr, im sumpfigen Untergrund einzusinken.
Solche Szenen spielten sich in unserer Region vor etwa 15’000 Jahren ab. Es war das Ende der letzten grossen Eiszeit und das Land war von Pflanzen und Tieren der Altsteinzeit bevölkert.

Jahrtausende später, nämlich im Jahr 2000 stiess ein Baggerführer im Steinbruch der Kiesgrube beim Hörnizopf während Erdarbeiten auf eine versteinerte Wurzel, die seltsam wohlgeformt wirkte. Wegen ihrer Grösse passte sie nicht ins Wohnzimmer und so landete das Fundstück in seiner Garage, wo es vorerst einmal blieb. Fünf Jahre später wurde in der Klasse der Tochter des Baggerfahrers die Steinzeit behandelt und dazu besuchte ihre Primarklasse das Museum Burghalde. Die aufgeweckte Schülerin nahm bei diesem Ausflug den Fund ihres Vaters mit und zeigte ihn dem Museumspersonal. Der damalige Archäologiekurator staunte nicht schlecht, als ihm da von Kinderhänden prähistorisches Elfenbein entgegengestreckt wurde! Der Fund war keine versteinerte Wurzel, sondern ein Stosszahn eines Mammuts. Er war (und ist noch) zwar in zwei Teile zerbrochen aber sonst noch sehr gut erhalten. Nun ist er fachgerecht konserviert und kann in der archäologischen Ausstellung des Museum Burghalde bewundert werden.
Von diesem eiszeitlichen Riesen ist nun ein Zahn in der Ausstellung des Museums zu finden. Im Verbogenen des Depots lassen sich viele weitere Schätze bergen, welche in den letzten Jahrzehnten teilweise auf nicht weniger abenteuerliche Weise ihren Weg in die Burghalde gefunden haben. Zwischen Tonlämpchen, Feuersteinen und prähistorischen Pfeilspitzen steht eine ganz besondere Kuriosität: Eingelegt in Alkohol in einem sogenannten Schliffstopfenglas (einem formgeblasenen Glasbehälter mit einem «Stopfen» als Verschluss) schwimmt ein Stück echtes Mammutfleisch. Wir verzichten auf die öffentliche Präsentation dieses prähistorischen Stücks nicht etwa deswegen, weil es so unappetitlich aussieht, sondern weil dieses Mammut in Sibirien gelebt hat und nicht in unserer Region. Das Fleisch stammt noch aus der früheren Sammlung, als sich das Museum noch im alten Landgericht befand. Damals wurden für das Museum auch Objekte ohne Ortsbezug erworben. Die kuratorische Praxis hat sich aber mit den Jahren geändert: Heute werden nur noch Exponate in der archäologischen Ausstellung gezeigt, die in der Region gefunden wurden. Wer weiss, vielleicht hat ein prähistorischer Vorfahre von ihnen eine Feuersteinklinge, die heute im Museum ist, tatsächlich benutzt, um damit Fleisch zu schneiden?

In der 2018 neu eröffneten Dauerausstellung und in den wechselnden Pop Up-Ausstellungen zeigt das Museum Burghalde eine breite Palette von Themen zur Stadtgeschichte. Das Erdgeschoss ist der Urgeschichte rund um Lenzburg gewidmet. Hier finden Sie den Mammutzahn, eingelassen in eine Bodenvitrine.
Am 9. Juni öffnet die Burghalde ihre Türen wieder für das Publikum.